Sekretariat
der Wettbewerbskommission der Schweiz
SwissZinc
AG
Vorabklärung
Potentiell unzulässiger Wettbewerbsabreden
Potentiellen Missbrauchs einer marktbeherrschenden
Stellung
Markteintritts-/Marktaustrittsschranken
Markt
für den Transport
Markt
für den Verkauf von hochreinem Zink
Exklusivlieferung
und Wettbewerbsverbot
Preis und Qualität
Technische Entwicklung
Disziplinierende Wirkung
«Legitimate Business Reasons»
Potentielle
Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung von Handelspartnerinnen
Schlussbericht
vom 25. August 2020 in Sachen Vorabklärung gemäss Art. 26 KG betreffend:
SwissZinc AG wegen potentiell unzulässiger Wettbewerbsabreden gemäss Art. 5 KG
und des potentiellen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäss Art.
7 KG (DPC 2020/4a, S. 1541).
(…)
Es verblieben bei der Realisierung des Projekts lediglich die vier Schweizer
Sonderabfallverwerter als mögliche Konkurrenten der SwissZinc-Anlage übrig (S.
1546).
48.
Die Markteintrittsschranken würden sich jedoch auch für das Segment der
Sonderabfallverwerter erheblich erhöhen, wenn die SwissZinc AG [75-95] % des
Marktes für die Entsorgung von Hydroxidschlamm erreichen würden. In dem Falle
würden die [5-25] % Restmarkt kaum Kapazität für einen zusätzlichen
Sonderabfallverwerter bieten. Erst nach Ablauf der 15-Jahre Exklusivitätsdauer
würden die Markteintrittsschranken wieder sinken.
B.3.4.3
Markteintritts-/Marktaustrittsschranken
56.
Durch die geringen Kapazitäten und steigende Nachfrage (siehe B.3.4.2) bleibt
der Markt für die Produktion von Hydroxidschlamm voraussichtlich auch in
Zukunft noch offen. Die KVA, welche sich für eine kurze Zeit (z. B. 2 bis 3
Jahre) an eine FLUWA-Anlage binden, sind nach Ablauf dieser
Frist frei, die Dienstleistung bei alternativen FLUWA-Anlagen nachzufragen.
57.
Allerdings erfordert der Bau einer FLUWA-Anlage eine grosse Erstinvestition
sowie Nachrüstungskosten. Manche KVA haben den Bau einer FLUWA in Betracht
gezogen, sich dann aber aufgrund technischer oder logistischer Schwierigkeiten
gegen den Bau einer eigenen FLUWA entschieden.
58.
Somit werden womöglich auch ab der Inbetriebnahme der SwissZinc-Anlage die
Markeintrittsschranken für die FLUWA-Betreiber relativ niedrig bleiben.
B.3.5
Markt für den Transport
59.
Flugasche und Hydroxidschlamm sind Sonderabfälle und der Transport ist somit
bewilligungspflichtig (vgl. Rz 13). Gemäss Angaben der SwissZinc AG sei der
Transport von Hydroxidschlamm einfach, weshalb nicht speziell auf den Transport
von Hydroxidschlamm spezialisierte Unternehmen eingesetzt werden müssen. Da die
SwissZinc AG, welche den Transport der Hydroxidschlämme von den FLUWA-KVA zur
SwissZinc-Anlage über ein externes Transportunternehmen organisiert, möglichst
viel Hydroxidschlamm mit der Bahn transportieren wolle, werde die Auswahl an
möglichen Transportunternehmen eingeschränkt.
60.
Die FLUWA-KVA übergeben den Hydroxidschlamm aktuell an die vier Schweizer
Sonderabfallverwerter (Chiresa AG, Spaltag AG, Sovag Veolia, Air Mercury AG),
welche diesen zu den ausländischen Verwertern exportieren. Der Transport wird
schliesslich von einem externen Transportunternehmen per Bahn oder LKW
durchgeführt.
61.
Gemäss Angaben der Transportunternehmen kann der Transport von Flugasche und/
oder Hydroxidschlamm von jedem Strassentransporteur durchgeführt werden. Neben der Bewilligung für
Sonderabfälle müssen lediglich spezielle Fahrzeuge eingesetzt werden, z. B.
Silo bei Flugasche und Containerfahrzeuge bei Hydroxidschlamm. Dies sind relativ geringe
Hürden für einen Strassentransporteur den Transport von Flugasche respektive
Hydroxidschlamm anzubieten, so dass man von einem Markt für den Transport
ausgehen kann.
B.3.6
Markt für den Verkauf von hochreinem Zink
64.
Die einzige Anbieterin von Zink auf dem Schweizer Markt ist zurzeit die KVA
KEBAG, welche im FLUREC-Verfahren rund 250–300 t Zink pro Jahr produziert. Die
Zinknachfrage betrug im Jahr 2018 in der Schweiz etwas über 7 000 t. Die
Nachfrage überstieg das Angebot von Zink somit bei weitem und der grösste Teil
des Zinks wurde von ausländischen Anbietern importiert.
72.
Um die Finanzierung ihres Projekts zu sichern, sei die SwissZinc AG gemäss
eigenen Angaben auf die Anlieferung von mindestens [75-95] % des jährlich in
der Schweiz produzierten Hydroxidschlamms angewiesen. Nur in diesem Fall könne
das Projekt SwissZinc AG so realisiert werden, dass es konkurrenzfähig sei. Die «marktbeherrschende
Stellung» sei gerade die notwendige Voraussetzung für den Bau der SwissZinc-Anlage.
73.
Die SwissZinc AG verfügt mit der angestrebten Ausgestaltung des Projektes ab
dem ersten Tag ihrer Inbetriebnahme über einen Marktanteil von mindestens
[75-95] % auf dem Markt für die Entsorgung von Hydroxidschlamm. Dieser
Marktanteil ist für mindestens 15 Jahre gesichert, da die Aktionärinnen und
Gönnerinnen sich für mindestens 15 Jahre zu einer Exklusivlieferung und einem
umfassenden Wettbewerbsverbot (dazu B.2.3.3) verpflichten müssen.
74.
Folglich herrscht höchstens auf einem Anteil von maximal [5-25] % des Marktes
für Entsorgung von Hydroxidschlamm Wettbewerb. Einzig auf diesem Teil des
Markts steht die SwissZinc AG mit den aktuellen Schweizer
Sonderabfallverwertern (dazu Rz 36; Chiresa AG, Spaltag AG, Air Mercury AG und
Sovag Veolia) in Konkurrenz.
99.
Wie sich dieser Preis vor und nach der Inbetriebnahme der SwissZinc AG
entwickelt, lässt sich nicht vorhersehen. Da die SwissZinc AG eine zumindest
teilweise Verdrängung der alternativen Verwertungsdienstleistungen zur Folge
hätte und die SwissZinc AG eine Monopolstellung anstrebt, besteht zumindest
die Gefahr, dass die Preise langfristig über dem Wettbewerbsniveau liegen
könnten.
B.4.6
Auswirkungen auf die technische Entwicklung
100.
Da die SwissZinc AG sich aufgrund der exklusiven Bindung der Aktionärinnen und
Gönnerinnen während 15 Jahren keiner namhaften Konkurrenz stellen muss und sie
eine Anbindung von [75-95] % des Marktes für die Amortisierung ihrer
Investitionen anstrebt, ist nicht zu erwarten, dass die SwissZinc AG in dieser
Zeit in die technische Weiterentwicklung investieren wird.
101.
Der Innovationsanreiz bei den Konkurrenten der SwissZinc AG ist gering, da die Markteintrittsschranken
aufgrund der exklusiven Bindung der Kundinnen der SwissZinc AG über 15 Jahre sehr
hoch sind.
Markt
für die Entsorgung von Hydroxidschlamm(i) Sachlich relevanter Markt
118.
Die SwissZinc AG plant die Entsorgung von Hydroxidschlämmen mit Rückgewinnung
von Metallen, insbesondere Zink. Da aufgrund der Revision der VVEA ab 1.
Januar 2021 nur noch die Metallrückgewinnung als gesetzeskonformer
Entsorgungsweg von Flugasche möglich ist, bilden lediglich Verfahren der
Entsorgung mit Metallrückgewinnung mögliche Substitute für die angebotenen
Dienstleistungen der SwissZinc AG. Mit der Realisierung der SwissZinc-Anlage
wird das FLUREC Verfahren eingestellt, womit keine direkte Metallgewinnung aus
Flugasche mehr angeboten. Der sachliche Markt betrifft somit die Entsorgung von
Hydroxidschlämmen (mit Metallrückgewinnung).
128.
Die aktuellen Konkurrenten bei der Entsorgung von Hydroxidschlamm sind die
Schweizer Sonderabfallunternehmen, die den Hydroxidschlamm zur Aufbereitung ins
Ausland transportieren. Aufgrund der 15-jährigen Bindung der beteiligten
KVA an die SwissZinc sind diese lediglich auf maximal [5-25] % des Marktes
tätig. In der Schweiz sind aktuell die Sonderabfallverwerter Chiresa AG,
Spaltag AG, Air Mercury AG und Sovag Veolia tätig. Ob all diese Konkurrenten
bei Realisierung des SwissZinc Projektes auf dem Markt verbleiben, ist nicht
klar.
129.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass mit der Realisierung des
SwissZinc Projektes auf mindestens [75-95] % des relevanten Marktes kein
Wettbewerb stattfinden und auf den restlichen maximal [5-25] % die
SwissZinc in Konkurrenz mit den genannten aktuellen Konkurrenten stehen wird,
wobei möglicherweise einer oder mehrere Konkurrenten aufgrund des kleinen
übrigbleibenden Marktvolumens aus dem Markt ausscheiden wird.
(…)
133. Folglich ist die Stellung der Marktgegenseite insgesamt zu schwach, um
eine disziplinierende Wirkung auf die SwissZinc AG zu haben.
135.
Das Sekretariat kommt daher zum Schluss, dass die SwissZinc AG bei der
Umsetzung des Projekts in seiner hier beurteilten Form über eine marktbeherrschende
Stellung auf dem Markt für die Entsorgung von Hydroxidschlamm in der
Schweiz ab 2025 verfügen würde.
142
Gemäss Urteil des Bundesgerichts in Sachen Publigroupe ist ein Marktanteil
von über 50 % ein Indiz für eine marktbeherrschende Stellung eines
Unternehmens, BGE 139 I 72, E. 9.3.3.2; das Bundesverwaltungsgericht entschied
im DCC Fall, dass bei Marktanteilen über 60 % oder 70 % die Vermutung einer
marktbeherrschenden Stellung bestehe. Die Schwelle für die Widerlegung der
Vermutung durch gegenteilige Faktoren sei bei solchen Marktanteilen umso höher,
Urteil des BVGer B-831/2011 vom 18.12.2018, E. 442, DCC (S. 1558).
143
Der Marktanteil eines Unternehmens auf dem relevanten Markt gehört gemäss
Literatur zu einem der wichtigsten Elemente bei der Beurteilung der
markbeherrschenden Stellung eines Unternehmens. Ein Marktanteil von über 50 %
wird als kritische Schwelle angesehen und gilt somit als Indiz für eine
marktbeherrschende Stellung (S. 1558).
137.
Das Kartellrecht verbietet eine marktbeherrschende Stellung nicht. Allerdings trägt das
marktbeherrschende Unternehmen eine besondere Verantwortung für sein
Marktverhalten. Nach Art. 7 Abs. 1 KG verhalten sich marktbeherrschende
Unternehmen unzulässig, wenn sie durch Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt
andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder
die Marktgegenseite benachteiligen. Gemäss Rechtsprechung bedeutet dies, dass
eine Marktbeherrscherin aktuelle oder potentielle Konkurrenten und andere
Marktteilnehmer nicht behindern (Behinderungsmissbrauch) sowie Lieferanten,
Abnehmer oder Verbraucher nicht ausbeuten bzw. benachteiligen darf
(Ausbeutungs- oder Benachteiligungsmissbrauch).
138.
Die Behinderung und Benachteiligung nach Art. 7 Abs. 1 KG werden durch
den Beispielkatalog in Art. 7 Abs. 2 KG konkretisiert. Ob die darin
aufgeführten Verhaltensweisen missbräuchlich sind, ist allerdings im
Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1 KG zu beurteilen. Verhaltensweisen, die unter
die Tatbestände des Art. 7 Abs. 2 KG fallen, sind nicht per se unzulässig.
Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine Verhaltensweise nach Art. 7
Abs. 2 KG eine Behinderung bzw. Benachteiligung i.S. des Art. 7 Abs. 1 KG
darstellt. Der Beispielkatalog von Art. 7 Abs. 2 KG kann folglich nicht
getrennt von Art. 7 Abs. 1 KG betrachtet werden. Ferner ist stets zu prüfen, ob
sachliche Gründe der Rechtfertigung («legitimate business reasons»)
vorliegen. Liegen keine Rechtfertigungsgründe vor, ist die Behinderung oder
Ausbeutung bzw. Benachteiligung unzulässig. Gemäss Bundesgericht kann
für die Auslegung von Art. 7 KG die Literatur und Praxis von Art. 102 AEUV herangezogen werden.
C.5.2.3
Potentielle Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung von Handelspartnerinnen
151.
Das Diskriminierungsverbot von Art. 7 Abs. 2 Bst. bKG führt dazu, dass ein
markbeherrschendes Unternehmen alle potenziellen Handelspartner in sachlich
vergleichbarer Lage grundsätzlich gleich behandeln muss. Marktbeherrschende
Unternehmen haben die Pflicht, Wettbewerber in vor- oder nachgelagerten
Handelsstufen gleich zu behandeln wie die zum marktbeherrschenden Unternehmen
gehörenden Wirtschaftseinheiten. Das marktbeherrschende Unternehmen muss die
Wettbewerber zu Bedingungen beliefern, die nicht ungünstiger sind als für die
eigenen Wirtschaftseinheiten wie Tochter- oder Muttergesellschaften.
172
Mit anderen Worten schränkt der Tatbestand der Diskriminierung von
Handelspartnern die Vertragsfreiheit des marktbeherrschenden Unternehmens ein.
Es darf aktuelle und potenzielle Geschäftspartner nicht ohne sachliche Gründe
mit Bezug auf Preise oder andere Geschäftsbedingungen ungleich behandeln. Der
Unrechtsgehalt der Norm liegt darin, dass Mitbewerber ohne sachliche
Rechtfertigung in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert oder die
Marktgegenseite ausgebeutet wird.
155.
In casu ist zu untersuchen, ob die folgenden Sachverhaltskonstellationen
eine Ungleichbehandlung der Handelspartner und dadurch eine Diskriminierung im
Sinne von Art. 7 Abs. 2 Bst. b KG darstellen:
-
Höhere Gate Fee für die Verwertung von Hydroxidschlamm von Nichtbeteiligten
-
Annahmepflicht des Hydroxidschlamms der Mitglieder
-
Preissetzung in Abhängigkeit von der Hydroxidschlammqualität für
Nichtbeteiligte
(S. 1561).
159.
Durch diese Vorgehensweise werden die nicht an der SwissZinc AG beteiligten KVA
(mit oder ohne FLUWA) sowie die Chiresa AG in Bezug auf die Höhe der Gate Fee
gegenüber den Mitgliedern ungleich behandelt. Wie in der genannten Kasuistik
liegt folglich eine Ungleichbehandlung von nicht beteiligten Gesellschaften für
den Bezug derselben Leistung vor.
164.
Es liegt also auch in Bezug auf die Annahme des Hydroxidschlamms eine
Ungleichbehandlung nicht beteiligter KVA (mit oder ohne FLUWA) und der Chiresa
AG vor.
167.
Gesamthaft profitieren die an der SwissZinc AG beteiligten Unternehmen von
verbesserten Konditionen im Vergleich zu den Nichtbeteiligten. Insbesondere
würden die Unternehmen, die nicht an der SwissZinc AG beteiligt sind
(unbeteiligte KVA mit oder ohne FLUWA-Anlage und die Sonderabfallverwerterin
Chiresa AG), für die Entsorgung von Hydroxidschlämmen bei der SwissZinc AG mehr
bezahlen, obwohl die Qualität der gelieferten Hydroxidschlämme gegebenenfalls
besser ist als diejenige von an der SwissZinc AG beteiligten KVA. Wäre dem so,
läge darin eine erste Ungleichbehandlung. Ferner können Drittunternehmen nur
solange an die SwissZinc AG liefern, als ihre Lieferungen bestenfalls nicht
mehr als 20 % des Gesamtumsatzes ausmachen. Aufgrund dieser Vorteile nehmen die
an der SwissZinc AG beteiligten Unternehmen auch eine stärkere Stellung
gegenüber ihren Kunden ein, indem sie ihnen tiefere Preise verrechnen können.
Dadurch würden die Nichtbeteiligten einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Daneben
müssten die nicht an der SwissZinc AG beteiligten KVA bzw. FLUWA-KVA im
Gegensatz zu beteiligten KVA bzw. FLUWA-KVA stets bemüht sein, qualitativ
hochwertigen Hydroxidschlamm an die SwissZinc AG liefern zu können, um von
tieferen Preisen zu profitieren. Daraus würde eine weitere Ungleichbehandlung
resultieren. Vordergründig bestünde also eine Benachteiligung dieser
Drittunternehmen gegenüber den an der SwissZinc AG beteiligten KVA für den
Bezug derselben Dienstleistung.
C.5.2.5
Voraussichtlich keine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung (keine
«legitimate business reasons»)
169.
Gemäss Rechtsprechung liegt eine sachliche Rechtfertigung einer
Ungleichbehandlung bzw. «legitimate business reasons» vor, wenn sich das
betreffende Unternehmen auf kaufmännische Grundsätze (z. B. Verlangen der
Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners) stützen kann.
176
Andere sachliche Gründe sind etwa die veränderte Nachfrage,
Kosteneinsparungen, administrative Vereinfachungen, Transport- und
Vertriebskosten, technische Gründe.
177
Die WEKO geht praxisgemäss von sachlich gerechtfertigten Verhaltensweisen aus,
wenn diese objektiv notwendig und verhältnismässig sind.
178
Dies ist regelmässig dann der Fall, wenn keine alternativen Verhaltensweisen
zur Verfügung standen, welche sich weniger wettbewerbsverfälschend ausgewirkt
hätten.
(…) Die preisliche Schlechterstellung
nichtbeteiligter Unternehmen scheint vielmehr zwei Zwecke zu verfolgen: die
Marktverdrängung von Konkurrenten vom Markt für Entsorgung von Hydroxidschlamm
und gleichzeitig die Anbindung sämtlicher KVA an der SwissZinc AG, um eine
Monopolstellung zu erreichen. Diese beiden Zwecke stellen keine sachliche
Rechtfertigung für die vorliegende Ungleichbehandlung dar. Es liegen daher
Anhaltspunkte vor, wonach die SwissZinc AG ihre Handelspartner zumindest
gegenüber ihren Aktionärinnen ungerechtfertigt diskriminieren könnte.
C.5.3.3.1
Exklusivbelieferungspflicht und Wettbewerbsverbot
191.
Exklusivvereinbarungen können unter normalen Wettbewerbsbedingungen zulässig
sein. Wie aus der soeben dargelegten Kasuistik hervorgeht, gilt dies jedoch in
der Regel nicht in einem Markt, in dem der Wettbewerb aufgrund der
marktbeherrschenden Stellung eines Geschäftspartners bereits eingeschränkt ist.
192.
Würden ein Teil oder sämtliche unabhängigen KVA, die im Aktionärbindungsvertrag
oder dem Gönnervertrag vorgesehene 15-jährige Exklusivbelieferungspflicht und
das Konkurrenzverbot (vgl. B.2.3.3, v.a. Rz 27) unterzeichnen, hätten die
Konkurrentinnen der SwissZinc AG während dieser Zeit keine Möglichkeit,
beteiligte KVA, welche der SwissZinc AG direkt oder indirekt (über FLUWA-KVA)
[75-95] % des Hydroxidschlamms lieferten, als Neukunden zu gewinnen.
193.
Die Konkurrenz der SwissZinc AG kann für den Zeitraum von mindestens 15
Jahren unabhängig davon, wie innovativ, qualitativ hochstehend und günstig ihr
Angebot ist, nicht in Wettbewerb mit der SwissZinc AG um die Entsorgung von
Hydroxidschlamm aus Flugasche von beteiligten KVA treten. Mit anderen
Worten beschränkt bzw. verunmöglicht die SwissZinc AG, indem sie die KVA
mittels den Exklusivverträgen, dem Konkurrenzverbot und den einheitlichen
Transportkosten an sich bindet, den Absatz ihrer Konkurrenten für den Zeitraum
von 15 Jahren.
Durch
den Ausgleich würden allenfalls ähnlich wie im KTB-Verfahren bei den
Mengenrabatten und dem Kies- und Betonbatzen, der Markteintritt von
Drittunternehmen erschwert und deren Dienstleistungen weniger attraktiv
gemacht. Der Transportkostenausgleich ist zudem eine Vorzugskondition,
die sich ähnlich wie ein Exklusivrabatt auswirken könnte. In den Genuss
des Transportkostenausgleichs kommt nämlich nur, wer zugleich die
Exklusivlieferungsvereinbarung und das Konkurrenzverbot mit der SwissZinc AG
abschliesst. Der Transportkostenausgleich schafft für diejenigen KVA, welche
davon profitieren würden, einen zusätzlichen ökonomischen Anreiz, sich an die
SwissZinc AG zu binden.
C.5.3.5
Voraussichtlich keine sachliche gerechtfertigte Einschränkung von Absatz
oder der technischen Entwicklung (keine «legitimate business reasons»)
199.
Die Exklusivliefervereinbarung oder das Wettbewerbsverbot könnten gemäss einem
Teil der Literatur beim Vorliegen der nachfolgenden Gründe gerechtfertigt sein:
Sicherheits- oder Umweltschutzgründe, Kapazitätsengpässe zur
Aufrechterhaltung des bisherigen Produktions- oder Vertriebsumfangs und
Rationalisierungsprozesse. Die Botschaft anerkennt Umweltschutzgründe als
möglichen Effizienzgrund, wenn dadurch eine rationellere Nutzung von Ressourcen
oder öffentlichen Gütern erreicht werden soll. Ob Umweltschutzgründe
tatsächlich als Effizienzgründe herangezogen werden können, wurde von der
Rechtsprechung noch nicht rechtskräftig geprüft.
200.
Die WEKO prüfte in ihrer Praxis zu den «legitimate business reasons»
auch im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 2 Bst. e KG, ob kaufmännische
Grundsätze (z. B. das Verlangen der Zahlungsfähigkeit des
Vertragspartners) eine veränderte Nachfrage, Kosteneinsparungen,
administrative Vereinfachungen, Transport- und Vertriebskosten oder technische
Gründe die Einschränkung rechtfertigten. In der vorliegenden Konstellation
fallen insbesondere Umwelt- und Investitionsschutzgründe als mögliche
Rechtfertigungsgründe in Betracht.
205.
Andere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich und wurden von der
SwissZinc AG auch nicht (sinngemäss) vorgebracht. Insgesamt würden
voraussichtlich durch die Exklusivbelieferungsvereinbarung und das
Konkurrenzverbot der Absatz und die technische Entwicklung im Sinne von Art. 7
Abs. 2 Bst. e KG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 KG behindert.
C.5.4
Mögliche gegen bestimmte Wettbewerber gerichtete Unterbietung von Preisen
und sonstigen Geschäftsbedingungen (Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Bst. d
KG)
C.6.2
Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG
C.6.5
Abrede zwischen Unternehmen gleicher und verschiedener Marktstufen
217.
Primär sollen im Verwaltungsrat die FLUWA-Aktionärinnen vertreten sein. Sie
sind auf derselben Marktstufe tätig und als solche Konkurrentinnen bei der
Produktion von Hydroxidschlamm. Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen den
KVA ohne FLUWA, die im Verwaltungsrat vertreten sind. Sie stehen ebenfalls in
einem horizontalen Verhältnis zueinander. Sofern gleichzeitig FLUWA-KVA und
andere KVA im Verwaltungsrat vertreten sind, stehen sie in einem vertikalen
Verhältnis zueinander. Da die Aktionärinnen in der Generalversammlung den
Verwaltungsrat bestimmen, tragen sie dessen Entschlüsse mit. In der
Generalversammlung sind ebenfalls FLUWA-KVA und andere KVA vertreten. Insgesamt
bestehen damit im Rahmen der SwissZinc AG gleichzeitig Abreden zwischen
Unternehmen gleicher und verschiedener Marktstufen.
C.6.7
Mögliche Qualifikation der einheitlichen Gate Fee als Preisabreden im Sinne
von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG
219.
Es ist zu prüfen, ob die Abreden über die Gate Fee den Tatbestand von Art. 5
Abs. 3 Bst. a KG erfüllen könnten. Aus dem Wortlaut der Norm folgt, dass das
direkte oder indirekte Festsetzen von Preisen eine Preisabrede darstellt. Der
Begriff der Preisabrede wird von den Wettbewerbsbehörden und den Gerichten weit
ausgelegt. So bezieht sich Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG gemäss Praxis auf jede Art
des Festsetzens von Preisen, Preiselementen und Preiskomponenten.
Preisabreden können folglich den gesamten Preis eines Produktes oder einer
Dienstleistung betreffen oder blosse Teile davon. Preisabreden liegen auch vor,
wenn den Abredeteilnehmern ein gewisser Preisgestaltungsspielraum verbleibt.
220.
Die Festsetzung der Gate Fee durch den Verwaltungsrat ist eine Abrede im
Sinn von Art. 4 Abs. 1 KG. Die Gate Fee ist ein Endpreis für die Verwertung
des Hydroxidschlamms und wird von Konkurrentinnen bestimmt. Damit erfüllt
die Abrede über die Festlegung der Gate Fee den Tatbestand von Art. 5 Abs. 3
Bst. a KG und ist als horizontale Preisabrede zu qualifizieren.
(…) Ausnahmen zur grundsätzlichen Erheblichkeit können sich in Fällen von
Einkaufskooperationen von Unternehmen ergeben, die gemeinsam über weniger
als 15 % an Marktanteilen verfügen.
228.
Wie dargelegt, betrifft die Abrede über die einheitliche Gate Fee die Wettbewerbsparameter
Preis und Qualität. Die Abrede im Rahmen der marktbeherrschenden SwissZinc
AG betrifft die Festlegung eines Endpreises und könnte sich tatsächlich
wettbewerbsschädigend auf den Preis- und Qualitätswettbewerb auswirken, weshalb
ihr Schädigungspotential zukommt. Die Abrede über die Festlegung der Gate
Fee könnte somit eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 5
Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 KG darstellen.
C.6.8
Kein Vorliegen von Effizienzgründen
236.
Selbst wenn eine Kosteneinsparung zu einer Senkung der Preise führen würde
und diese Preissenkung an den Endkunden weitergegeben würde, so wäre die
Festlegung der einheitlichen Gate Fee nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs.
2 Bst. a KG. Selbst wenn man davon ausginge, dass die SwissZinc-Anlage nur mit
einer abgesicherten Auftragsmenge funktionieren könnte, könnte die notwendige
Auftragsmenge etwa durch eine Preissenkung zugunsten der KVA ohne
Exklusivbindung gesichert werden. Die KVA würden die SwissZinc AG dadurch aufgrund
ihres Preis-Leistungsverhältnisses wählen. Das Gleiche gilt für das
Wettbewerbsverbot und die Festlegung der gemeinsamen Gate Fee.
244.
Zusammenfassend steht folglich fest, dass die Notwendigkeit der Abrede zur
Erreichung des Effizienzziels der rationellen Nutzung der Ressourcen mittels
Umweltschutz nicht dargetan ist. Der Umweltschutz könnte auch ohne eine
einheitliche Gate Fee erzielt werden. Eine rechtmässige Entsorgung der
Flugasche wäre mit oder ohne SwissZinc AG für alle KVA möglich.
D Anregungen
gemäss Artikel 26 Absatz 2 KG
247.
Das Sekretariat kommt gestützt auf den bekannten Sachverhalt und die
vorangehenden Erwägungen zum Schluss, dass Anhaltspunkte für potentiell
unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen. Gestützt darauf und in
Anbetracht des Ziels der Vorabklärung, das darin besteht mehr Rechtssicherheit
für die SwissZinc AG zu schaffen und Anregungen zu formulieren, regt das
Sekretariat gestützt auf Art. 26 Abs. 2 KG die Umsetzung der folgenden
Massnahmen an:
1.
Die SwissZinc AG verzichtet auf die Festschreibung eines Wettbewerbsverbots für
alle Gönnerinnen und Aktionärinnen sowie alle Handelspartnerinnen der SwissZinc
AG;
2.
Die SwissZinc AG verzichtet auf eine Verpflichtung zu Exklusivlieferungen der
Gönnerinnen, Aktionärinnen und Handelspartnerinnen an die SwissZinc AG;
3.
Die SwissZinc AG verzichtet auf eine Mindestvertragsdauer von 15 Jahren für
Gönnerinnen, Aktionärinnen und Handelspartnerinnen der SwissZinc AG;
4. Der
Preis für die Transportdienstleistung der SwissZinc AG an die Bezüger der
Transportdienstleistung soll nicht von konkurrenzierenden KVA (z. B. vom
Verwaltungsrat) festgelegt werden;
5. Der
Preis für die Entsorgung von Hydroxidschlamm (Gate Fee) soll nicht von
konkurrenzierenden KVA (z. B. vom Verwaltungsrat) der SwissZinc AG festgelegt
werden.
Für
den Fall, dass die SwissZinc AG eine marktbeherrschende Stellung unter
Beachtung der vorgenannten Anregungen erreichen sollte, empfiehlt das
Sekretariat zudem Folgendes:
1.
Nicht-Aktionärinnen der SwissZinc AG dürfen gegenüber Aktionärinnen beim Bezug
von gleichen respektive gleichwertigen Leistungen preislich nicht diskriminiert
werden. Sie haben für die identischen Dienstleistungen dieselben Preise zu
bezahlen;
2.
Die SwissZinc AG verzichtet auf die Festlegung eines Transportkostenausgleichs;
3.
Sollte die Transportleistung von der SwissZinc AG ausgeschrieben werden, so
soll dies in regelmässigen Abständen, jedoch mindestens alle 3 Jahre, geschehen.