Monday, July 13, 2020

Swiss Competition Commission Decision (Watch Industry) - Verfügung vom 13. Juli 2020 in Sachen Untersuchung 32-0224 gemäss Art. 27 KG betreffend Swatch Group Lieferstopp

Selektiven Vertriebssysteme der Uhrenhersteller in der Schweiz  

Unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen

Rein qualitativer Selektivvertrieb

Veränderung des Herfindahl- Hirschmann- Index (HHI)

Markteintrittsbarriere

Skaleneffekte

 

Neben den Marktanteilen, den Produktions- und Kapazitätsanteilen sowie den aus den Skaleneffekten resultierenden Folgen ist des Weiteren das Ausmass des Substitutionswettbewerbs zu analysieren

 

Eigenproduktion


Potentieller Wettbewerb : Markteintrittshürden ; Aus- und Aufbaupläne ; 

potentieller Wettbewerb ETA zu disziplinieren ?


Unabhängig von der aktuellen Konkurrenz verhalten können ?


ETA

Swatch Group

 

 

 

Par sa décision du 13 juillet 2020, la COMCO n’a imposé ni de nouvelle obligation de livraison ni de limitation des livraisons de mouvements mécaniques fabriqués en Suisse à ETA, une filiale du groupe Swatch. Cette décision est la suite d’anciennes décisions. À la fin de 2013, la COMCO avait approuvé un règlement amiable avec le groupe Swatch. Ce règlement prévoyait que sa filiale ETA devait livrer certaines quantités de mouvements mécaniques à sa clientèle de l’époque jusqu’à la fin de 2019. Cet accord devait inciter à la création d’une nouvelle forme de concurrence de sorte que la clientèle puisse prospecter différentes possibilités d’achat. Au terme de ce délai, l’obligation de livrer devait disparaître. Comme des indices indiquaient que le marché des mouvements mécaniques fabriqués en Suisse n’évoluait pas comme prévu, la COMCO a ouvert, en novembre 2018, une procédure de réexamen. Les nombreuses clarifications de la COMCO ont montré que le marché réagissait aux incitations instaurées en 2013 et que les conditions de concurrence se réalisaient en grande partie comme prévu. Par exemple, les clients d’ETA diversifiaient leurs sources d’approvisionnement. Après avoir largement analysé la situation, la COMCO a conclu qu’il n’y avait plus lieu d’imposer des obligations à ETA. Par contre, elle a constaté que la filiale du groupe Swatch disposait toujours d’une position dominante sur le marché des mouvements de montre mécaniques fabriqués en Suisse. À ce titre, cette entreprise continue à être soumise à la surveillance des abus. Comme il n’y a pas eu de recours, la décision de la COMCO est entrée en force.

 

 

Le 16 décembre 2019, la COMCO a pris des mesures provisionnelles dans le cadre de la procédure de réexamen de l’arrêt des livraisons du Groupe Swatch, fondée sur l’enquête « Swatch Group Lieferstopp » (cf. rapport annuel 2019). Le Groupe Swatch avait fait recours. Dans une décision incidente du 13 mai 2020, le TAF s’est prononcé sur la question de savoir s’il fallait abandonner les mesures provisionnelles de la COMCO qui prévoyaient à l’encontre du groupe Swatch respectivement de sa filiale ETA des restrictions immédiates mais provisoires de livraison aux clients tiers. Le TAF a tranché par la négative, adoptant ainsi le point de vue de la COMCO. Il a justifié sa décision en invoquant notamment l’urgence, la nécessité objective et un intérêt public prépondérant à attendre les résultats de l’enquête engagée en novembre 2018 avant de laisser échoir les obligations et restrictions résultant de l’accord amiable de 2013. Suite à la décision de la COMCO du 13 juillet 2020 de ne pas imposer d’obligations supplémentaires au groupe Swatch (cf. point 2.1), celui-ci a retiré son recours contre les mesures provisionnelles. Celles-ci sont donc entrées en force (p. 27).

 

 

Par sa décision du 13 juillet 2020, la COMCO a clôturé la procédure de réexamen de l’arrêt des livraisons du Groupe Swatch, Swatch Group Lieferstopp, qu’elle avait ouverte en novembre 2018 (cf. point 2.1). Cette décision rend caduques les mesures provisionnelles édictées par la COMCO en date du 16 décembre 2019 (cf. point 2.2). Entre 2014 et 2019, une société d’audit et les autorités de la concurrence ont fréquemment contrôlé le respect par le groupe Swatch, respectivement par ETA, de l’accord amiable approuvé en 2013 par la COMCO. Ces contrôles n’ont pas révélé de violations dudit accord (p. 32).

 

DPC 2021/1, p 25, 27, 32

 

 

 

 

DPC 2021/2, p. 306-400 :

https://www.weko.admin.ch/weko/fr/home/praxis/droit-et-politique-de-la-concurrence-en-pratique--dpc-.html

 

 

Verfügung vom 13. Juli 2020 in Sachen Untersuchung 32-0224 gemäss Art. 27 KG betreffend Swatch Group Lieferstopp / Ablauf Lieferverpflichtung wegen allfälliger Wiedererwägung der Verfügung vom 21. Oktober 2013 in Sachen Swatch Group Lieferstopp gemäss Art. 30 Abs. 3 KG gegen 1. The Swatch Group AG, in Biel, vertreten durch [...], 2. Sellita Watch Co S.A., in La Chaux-de-Fonds, vertreten durch [...]

 

 

21. Das Sekretariat befragte wiederholt auch Swatch Group zum für den Untersuchungsgegenstand relevanten Sachverhalt; teilweise auch auf entsprechendes Begehren von Sellita. Während Swatch Group diese 
Fragen zu Beginn des vorliegenden Wiedererwägungsverfahrens in der Regel beantwortete, verweigerte sie gegen Ende des Verfahrens wiederholt die Beantwortung von Fragen des Sekretariats zur [...] von ETA und zur Belieferung von ausgewählten Drittkunden mit angeblich neuen, höherwertigen Produkten ([...]) ab dem Auslaufen der evR per 31. Dezember 2019 (vgl. oben Rz 4 ff.) bzw. der am 16. Dezember 2019 erlassenen vorsorglichen Massnahmen (vgl. dazu unten Rz 32 ff. und Rz 440 ff.). Swatch Group begründete die Auskunftsverweigerung damit, dass für diese Fragen keine hinreichende Verbindung zum Untersuchungsgegenstand bestehe. Aus verfahrensökonomischen Gründen verzichtete das Sekretariat darauf, mit einem Mitglied 
des Präsidiums der WEKO eine Auskunftsverfügung zu erlassen.

 

 

37 Bei der Marktbefragung der Kunden von ETA handelte es sich um 
eine Vollbefragung, d.h. alle Unternehmen, welche Kunden im Sinne 
von Ziff. 2 lit. c evR und somit anspruchsberechtigt waren, gemäss 
Ziff. 2 lit. a evR von ETA beliefert zu werden, wurden befragt. Die 
Durchführung nur von Stichproben erschien dem Sekretariat als nicht 
ausreichend zur Sachverhaltsermittlung. Zudem befragte das Sekretariat alle ihm bekannten aktuellen und potentiellen Konkurrenten von 
ETA und Nivarox sowie sämtliche von Swatch Group oder anderen in 
der Umfrage involvierten Marktteilnehmern namentlich genannten 
aktuellen und potentiellen Konkurrenten von ETA oder Nivarox. Vgl. 
hierzu auch Act. [...]. Zwei Unternehmen wurde der Fragebogen auf 
eigenen Wunsch zugestellt. Act. [...].

 

 

42 Insgesamt 20 Unternehmen haben den Fragebogen des Sekretariats 
nicht ausgefüllt. Dabei handelt es sich um einen vermutlichen Konkurrenten von ETA (Act. [...]), ein ausländisches Unternehmen (Act. [...]) und ein Unternehmen, welchem der Fragebogen auf eigenen Wunsch hin zugesandt wurde (Act. [...]), sowie um 17 Kunden von ETA. Von den 17 Kunden haben 14 Kunden die Nichtbeantwortung des Fragebogens begründet (bspw. mit der Einstellung oder Änderung der Tätigkeit; Act. [...]) und drei Kunden haben sich nicht gemeldet (Act. [...]). 
Somit wurde mit der Marktbefragung eine Rücklaufquote von 89,5 % 
erreicht. Insgesamt vier Unternehmen haben Nachfragen des Sekretariats nicht beantwortet. Dabei handelt es sich um drei Kunden von ETA und einen Konkurrenten von ETA (Act. [...]).

 

 

(…) 28. Darüber hinaus brachte Sellita vor, die Swatch Group-Tochtergesellschaft Nivarox habe im dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke vorgelagerten Markt, d.h. dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Assortiments, nach wie vor eine «monopolartige» Stellung. Alternative Hersteller von mechanischen, in der Schweiz hergestellten Swiss made Uhrwerken könnten dementsprechend für Swatch Group einzig eine wirksame Konkurrenz darstellen, wenn sie von Nivarox diskriminierungsfrei und unbegrenzt gemäss ihren Anfragen mit Nivarox-Assortiments jeder Referenz und Technologie beliefert würden. Dies würde die schon starke Stellung von Swatch Group auf den nachgelagerten Märkten zusätzlich verstärken, da Swatch Group damit den Output ihrer Konkurrenten in den Bereichen Herstellung und Lieferung von mechanischen Uhrwerken einerseits und von Uhren andererseits steuern könne. Dies mache ein Eingreifen der Wettbewerbsbehörden auch auf dem «Assortiments»-Markt notwendig.

 

 

42. Swatch Group begrüsste in ihrer Stellungnahme den Umstand, dass das Sekretariat keine neuen Massnahmen gegen Swatch Group bzw. ETA beantragt. Einwände erhob sie indes gegen die diesbezügliche Begründung sowie dagegen, dass das Sekretariat der WEKO nicht beantrage, Ziff. 1 der ursprünglichen Verfügung, wonach ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke marktbeherrschend ist, aufzuheben. In sachverhaltsmässiger Hinsicht betont Swatch Group, Swatch Group bzw. ETA habe im relevanten Markt mittlerweile einen Marktanteil von unter 35 %, es gebe genügend alternative Anbieter für mechanische Uhrwerke und Uhrwerks- wie Uhrenhersteller hätten in genügendem Masse Auf- und Ausbaupläne realisiert; soweit sich Uhrenhersteller keine Alternativen zu ETA erschlossen hätten, hätten sie sich nicht ausreichend bemüht. Aus kartellrechtlicher Sicht liege daher weder eine «wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse» im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG vor noch sei von einer marktbeherrschenden Stellung von ETA im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG auszugehen. Soweit das Sekretariat zu anderen Ergebnissen kommt, wirft Swatch Group dem Sekretariat vor, dass es aus den vorliegenden Daten der Marktbefragung falsche oder methodisch unzulässige Schlüsse ziehe sowie, dass es die Hürden für die Erfüllung der genannten Tatbestandsmerkmale von Art. 30 Abs. 3 KG und Art. 4 Abs. 2 KG letztlich zu tief ansetze. Swatch Group reichte mit der Stellungnahme ein Gutachten der Polynomics AG ein. Gemäss diesem Gutachten sei ETA wegen ihres geringen Marktanteils von [30–40] % nicht marktbeherrschend; zudem enthält das Gutachten Ausführungen zu angeblichen Fehlern des Sekretariats bei der Marktbefragung bzw. deren Auswertung.

 

 

54. Gleichzeitig betonte Swatch Group, sie sei nicht mehr marktbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG. Sie beantragte daher – ohne indes ein formelles Wiedererwägungsgesuch zu stellen –, Ziff. 1 des Dispositivs der ursprünglichen Verfügung sei aufzuheben und es sei 
festzustellen, dass ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke spätestens seit dem 1. Januar 2020 nicht mehr marktbeherrschend sei (vgl. oben Rz 24 f. und Rz 42). Sie begründete dies insbesondere mit einer Marktanteilsverschiebung zugunsten von Sellita auf Ende 2019 und dem gestiegenen Eigenversorgungsgrad der Kunden von ETA. In sachverhaltsmässiger Hinsicht ergeben sich diese beiden Entwicklungen – wenn auch nicht in dem von Swatch Group geltend gemachten Ausmass – auch aus dem Antrag des Sekretariats. Es ist somit vorliegend glaubhaft gemacht im Sinne der Eintretensvoraussetzungen (vgl. oben Rz 52), dass in Bezug auf die damalige Feststellung der marktbeherrschenden Stellung 
von ETA (vgl. Ziff. 1 des Dispositivs der ursprünglichen Verfügung) eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliegen könnte. Kommt hinzu, dass die Frage der Marktbeherrschung von ETA in einem hinreichend engen Zusammenhang zum eigentlichen Gegenstand des vorliegenden Verfahrens steht (vgl. oben Rz 13 ff. und unten Rz 58). Denn diese Frage betrifft ebenfalls den Bereich mechanischer, in der Schweiz hergestellter Swiss made Uhrwerke und wird folgerichtig auch vom 
Sekretariat in seinem Antrag separat behandelt. Das Eintreten auf das Geschäft gemäss Antrag impliziert damit das Eintreten auf den Antrag von Swatch Group betreffend die Aufhebung der Feststellung der marktbeherrschenden Stellung bzw. die Feststellung, dass ETA 
aktuell nicht mehr marktbeherrschend sei.



55. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die WEKO auf das Geschäft gemäss Antrag eintritt. Dies impliziert das Eintreten auf den Antrag von Swatch Group. Dieser lautet, Ziff. 1 des Dispositivs der ursprünglichen Verfügung sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke spätestens seit dem 1. Januar 2020 nicht mehr marktbeherrschend ist (vgl. oben Rz 24 f. und Rz 42).

 

 

60. Sellita hat Anträge gestellt, welche auf eine Regelung des Verhaltens von Swatch Group bzw. ETA oder Nivarox im Bereich Service Après-Vente (SAV; Nachverkaufsservice) gerichtet sind (Anträge 1.5a. und 2.5a. gemäss Schreiben von Sellita vom 16. Juli 2019, vgl. Rz 29). Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, besteht für diese Anträge kein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis von Sellita und sie liegen ebenfalls ausserhalb des Gegenstands des vorliegenden Wiedererwägungsverfahrens, weshalb auf diese Anträge nicht einzutreten ist.

 

 

61. Mit ihren Anträgen betreffend SAV verlangt Sellita die wettbewerbsbehördliche Anordnung von Lieferverpflichtungen für ETA und Nivarox in Bezug auf Verschleissteile mechanischer Uhrwerke und Assortiments (im Umfang von jährlich bis zu 10 % der durchschnittlich pro Jahr in den Jahren 2009 bis 2011 effektiv gelieferten Menge), damit der SAV durch Sellita gewährleistet werden kann. Diesbezüglich könnte Sellita überhaupt nur dann rechtsschutzbedürftig sein, wenn sie eine konkrete Gefahr glaubhaft machen könnte, dass sie in Bezug auf ihren SAV von ETA oder Nivarox nicht beliefert würde. Eine derartige konkrete Gefahr macht Sellita indes selbst nicht geltend, sondern äussert lediglich abstrakte Befürchtungen. Kommt hinzu, dass Swatch Group zugesichert hat, dass die Belieferung mit Verschleissteilen mechanischer Uhrwerke und Assortiments für den SAV anderer Unternehmen gewährleistet werde. Ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis von Sellita in Bezug auf ihre Anträge betreffend SAV besteht mithin nicht.

 

 

62. Selbst wenn ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis von Sellita bestünde, wäre auf die Anträge von Sellita nicht einzutreten. Denn die Anträge liegen jedenfalls ausserhalb des Gegenstands des vorliegenden Wiedererwägungsverfahrens. Sowohl das ursprüngliche Verfahren als auch das vorliegende Verfahren betrafen bzw. betreffen nicht den Bereich SAV. Für das ursprüngliche Verfahren stellte die WEKO dies ausdrücklich fest. 
Diese Erwägungen gelten hier entsprechend. Zumal im vorliegenden Wiedererwägungsverfahren primär zu prüfen ist, ob ab dem Jahr 2020 in ausreichendem Masse alternative Bezugsquellen für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke vorhanden sein werden, um die entsprechende Nachfrage nach solchen Uhrwerken von Seiten Uhrenherstellern bedienen zu können
(vgl. oben Rz 13 ff. und Rz 57 f.).

 

 

 

B.3.3 Ausgangslage: Ursprünglicher Entscheid – Zentrale Feststellungen

79. Für die Beurteilung der Frage, ob die sich zum Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids abzeichnenden Veränderungen der Marktverhältnisse eingetreten sind, gilt es, sich die damalige Ausgangslage, insbesondere die damals herrschenden Wettbewerbsverhältnisse sowie die damals gemachten Erwartungen an die Entwickung dieser Verhältnisse, vor Augen zu führen. Im Rahmen des ursprünglichen Entscheids machte die WEKO drei zentrale Feststellungen, welche für die Beantwortung oben genannter Frage von entscheidender Bedeutung sind.


• Erstens stellte die WEKO fest, dass ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG innehat (vgl. Rz 4).


• Zweitens stellte die WEKO fest, dass die kurzfristige Einstellung der Lieferungen von mechanischen Uhrwerken als missbräuchliche Verhaltensweise im Sinne von Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Bst. a KG zu qualifizieren ist (vgl. Rz 4).


• Drittens genehmigte die WEKO die evR (vgl. Rz 5) unter dem Vorbehalt der sich abzeichnenden Marktentwicklungen zwecks Beseitigung der festgestellten Wettbewerbsbeschränkung.



80. Die Erwägungen, welche die WEKO zu den drei aufgeführten Feststellungen im ursprünglichen Entscheid bewog, werden nachfolgend in gebotener Kürze wiedergegeben.

 

 

88. Der Abbildung 2 ist zu entnehmen, dass ETA im Jahr 2010 einen Marktanteil von [80–90] % aufwies. ETA offeriert eine breite Produktpalette an verschiedenen Typen von mechanischen Uhrwerken, so genannte Kaliber (vgl. Rz 217). Der Grossteil der in der Schweiz produzierten Uhren, die von Uhrenherstellern nicht mit selber produzierten Uhrwerken ausgerüstet wurden, basierten damals auf sechs Uhrwerken von ETA (2892-A2, 7750, 2671, 2836-02, 2836-02, 2834-02, 2824-02). Die Preise der mechanischen Uhrwerke von ETA bewegten sich im Segment von 50 bis gut 500 CHF.

 


89. Sellita, die mit der Produktion mechanischer Uhrwerke ungefähr vor 17 Jahren begann, bietet mechanische Uhrwerke an, welche mit denjenigen von ETA weitgehend identisch sind (mehrheitlich sog. Generika-Werke). Damals bot Sellita für fünf der sechs meistverkauften Kaliber von ETA (vgl. oben Rz 88) Substitute in einem ähnlichen Preissegment an (SW300 für 2892-A2, SW500 für 7750, SW220-1 für 2836-02, SW240-1 für 2834-02, SW200-1 für 2824-02). Sellita stellte damals mit einem Marktanteil von [10–20] % die einzige echte 
Alternative dar, welche ebenfalls mechanische Uhrwerke in industriellen Mengen produzierte.

 


90. Soprod, ein weiterer Hersteller mechanischer Uhrwerke, welcher zur Festina-Gruppe gehört, bot damals nur ein industriell hergestelltes mechanisches Uhrwerk an. Das Kaliber A10 ist ein technisch gutes Substitut für das Kaliber 2892-A2 von ETA resp. SW300 von Sellita (vgl. oben Rz 88 f.), war jedoch damals ungefähr doppelt so teuer wie die vergleichbaren Produkte von Sellita oder ETA. Soprod wies im Jahr 2010 einen geringen Marktanteil von [0-5] % auf.

 


91. Die Kategorie «Andere» umfasst Hersteller, welche relativ kleine Stückzahlen (> 5‘000 Stück) von «haut-de-gamme»-Werken produzieren, welche kaum mit den industriell gefertigten mechanischen Uhrwerken von ETA oder Sellita ausgetauscht werden können.

 

 

92. Im ursprünglichen Entscheid wurde der Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI) herangezogen, um die Konzentration im Markt für mechanische Uhrwerke zu illustrieren. Basierend auf den für das Jahr 2010 ausgewiesenen Marktanteilen (vgl. Rz 87) ergab sich im Jahr 2010 ein HHI von ungefähr 6‘900. Dies zeigt den damaligen äusserst hohen Konzentrationsgrad.

 

 

(Der HHI ist ein Mass für den Konzentrationsgrad eines Marktes und berechnet sich aus der Summe der quadrierten Marktanteile (in %) sämtlicher Unternehmen im Markt. Der HHI variiert zwischen 0 (fragmentierter Markt) und 10‘000 (Monopol). Der HHI wird primär im Bereich der Zusammenschlusskontrolle verwendet. Gemäss der Europäischen Kommission (nachfolgend: EU-Kommission) stellen sich in der Regel keine horizontalen Wettbewerbsbedenken in einem Markt, dessen HHI nach dem Zusammenschluss unterhalb von 1’000 liegt. 
Liegt der HHI hingegen zwischen 1’000 und 2’000 und der Delta-Wert über 250 oder ist der HHI höher als 2’000 und der Delta-Wert grösser als 150 müssen zusätzliche Kriterien (z.B. betreffend potentielle Konkurrenz und Abwesenheit von Anhaltspunkten für kollektive Marktbeherrschung) erfüllt sein, damit die EU-Kommission den Zusammenschluss grundsätzlich nicht eingehend prüft. Vgl. RPW 2014/1, 235 Rz 170, Swatch Group Lieferstopp; Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäss der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004 C 31/5, Rz 19 f.)

 

 

95. Im Rahmen der ursprünglichen Untersuchung wurden mögliche Marktzutrittsschranken wie Know-How, Kostenvorteile, Investitionsbedarf und Gewinnaussichten, Beschaffung von Produktionsinputs, Reputation und Switching Costs analysiert.

 

 

96. Obwohl die Produktionstechnologie von ETA prinzipiell bekannt sei, stelle das Know-how zur Produktion mechanischer Uhrwerke, insbesondere zur Produktion in grossen Stückzahlen (industriellen Produktion), welches notwendig sei, um eine kritische Grösse zu erreichen und mechanische Uhrwerke zu konkurrenzfähigen Preisen herzustellen, eine Markteintrittsbarriere dar. Ebenfalls als Markteintrittsbarriere wurden die grossen «economies of scale» in der Produktion mechanischer Uhrwerke identifiziert. Zudem seien ein hoher Investitions- und Zeitbedarf für den Aufbau einer grösseren Produktion mechanischer Uhrwerke erforderlich. Verbunden mit den vorhandenen «economies of scale» führen der hohe Investitions- und Zeitbedarf dazu, dass zukünftige Gewinne eines Markteintreters erst in der langen Frist anfallen, was die Wahrscheinlichkeit von Markteintritten zusätzlich reduziere. Auch die Beschaffung von Produktionsinputs, insbesondere von Assortiments, wurde als Markteintrittshürde identifiziert (vgl. Rz 356 ff.). Ebenfalls als Markteintrittsbarrieren genannt wurden die hohe Reputation mechanischer Uhrwerke von ETA in Bezug auf Qualität und Zuverlässigkeit, welche sich ein Markteintreter erst erarbeiten muss, sowie die Umstellungskosten, welche für einen Uhrenhersteller u.U. anfallen, wenn er seine Uhrenproduktion auf mechanische Uhrwerke eines alternativen Herstellers umstellt. Zusammenfassend wurde festgehalten, dass die Markteintrittsbarrieren als hoch, mittel- bis längerfristig jedoch als nicht unüberwindbar einzustufen sind.

 

 

(Von «economies of scale» oder «Grössenvorteilen» spricht man, wenn die Durchschnittskosten pro hergestellte Einheit mit zunehmendem Output sinken. Für den Aufbau einer Produktion mechanischer Uhrwerke mit einer Kapazität von ca. 5'000 bis ca. 50'000 Stück pro Jahr (und einer externen Belieferung von Assortiments) wurde von einem Kapitalbedarf von ungefähr 10-40 Mio. CHF ausgegangen. Für die Herstellung von zu ETA resp. Sellita konkurrenzfähigen Produkten wurde von einer Investitionssumme von ungefähr 50-150 Mio. CHF ausgegangen. Der Zeitbedarf, um eine Produktion konkurrenzfähiger mechanischer Uhrwerke aufzubauen, wurde auf sieben bis neun Jahre geschätzt. Vgl. RPW 2014/1, 237 Rz 186 ff., Swatch Group Lieferstopp.)

 

 

(…) An obenstehender Situation werde sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, was insbesondere darauf zurückzuführen sei, dass Sellita beim Herzstück der mechanischen Uhrwerke – den Assortiments – noch auf Produkte der Swatch Group (Nivarox) angewiesen sei. Dies habe zur Konsequenz, dass Swatch Group den Output von Sellita indirekt kontrolliere resp. plafoniere: Sellita könne nur so viele Uhrwerke produzieren, wie sie über Assortiments von Nivarox verfüge.

 

 

(…) 151 Die WEKO hat im ursprünglichen Entscheid eine Befristung der 
Feststellung der marktbeherrschenden Stellung ausdrücklich abgelehnt, da sich aus der Einhaltung und dem Ablauf der evR nicht zwingend das Ende der marktbeherrschenden Stellung ergibt. Vgl. RPW 2014/1, 283 Rz 490 f., Swatch Group Lieferstopp.

 

 

(…) 131. Von den 114 Unternehmen, die in der Periode 2014 bis 2019 mechanische Uhrwerke bei Dritten bezogen haben, sind [...] Unternehmen ([...] %) Kunden von ETA, d.h. Kunden im Sinne von Ziff. 2 lit. c evR und somit anspruchsberechtigt, gemäss Ziff. 2 lit. a evR von ETA beliefert zu werden (vgl. Rz 5). Ergänzend ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass zusätzlich zu den 114 Unternehmen [...] Unternehmen eigentlich Kunden von ETA, d.h. anspruchsberechtigt waren, gemäss Ziff. 2 lit. a evR von ETA beliefert zu werden, diese jedoch angegeben haben, keine mechanischen Uhrwerke bei Dritten zu beziehen. Ein Unternehmen, das angegeben hat, keine mechanischen Uhrwerke bei Dritten zu beziehen, bezieht über eine Schwestergesellschaft bei ETA mechanische Uhrwerke (vgl. oben Rz 130).

 

 

Entwicklungen in der Uhrenindustrie
132. In den Jahren 2011 und 2012 wies der Exportumsatz der Schweizer Uhrenindustrie Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich (+ 19,4 % bzw. + 11,0 %) auf und erreichte im Jahr 2012 einen Wert von 21,4 Mrd. CHF. Die Uhrenexporte wuchsen 2011 und 2012 wertmässig um 19,5 % und 11,6 % auf 20,2 Mrd. CHF. Nach einer Konsolidierung in den Jahren 2013 und 2014 – die Uhrenexporte nahmen wertmässig um 2,0 % bzw. 1,8 % auf knapp 21 Mrd. CHF zu erlitt die schweizerische Uhrenindustrie 2015 erstmals seit 2009 ein rückläufiges Ergebnis. Die Uhrenexporte nahmen um 3,6 % auf 20,2 Mrd. CHF ab. Auch 2016 sanken die Uhrenexporte um 9,8 % auf 18,3 Mrd. CHF und erreichten damit wieder den Stand von 2011. Ab 2017 erholten sich die Uhrenexporte und nahmen in den Jahren 2017 bis 2019 um 2,9 %, 6,2 % bzw. 2,6 % zu und erreichten 2019 schliesslich einen Wert von 20,5 Mrd. CHF.

 

 

Funktionsweise der Lieferverpflichtung


136. Die im ursprünglichen Entscheid im Jahr 2013 von der WEKO genehmigte evR verpflichtete ETA, Drittkunden mit mechanischen Uhrwerken zu beliefern (Ziff. 2 lit. a evR; vgl. Rz 5 ff.). Zur Bestimmung der von ETA zu liefernden Mengen wurde eine Referenzmenge definiert (Ziff. 2 lit. b evR). Die Referenzmenge entsprach dem Durchschnitt der in den Jahren 2009 bis 2011 effektiv gelieferten Mengen an mechanischen Uhrwerken und betrug im Total [...]. Gemäss Ziff. 3 evR hatte ETA in den Jahren 2014 und 2015 75 % der Referenzmenge (d.h. insgesamt [...]), in den Jahren 2016 und 2017 65 % der Referenzmenge (d.h. insgesamt [...]) und in den Jahren 2018 und 2019 55 % der Referenzmenge (d.h. insgesamt [...]) an ihre bisherigen Kunden zu liefern (vgl. auch Tabelle A 13 im Anhang). Die so für die Drittkunden berechnete Lieferverpflichtung (auf volle 100 Stück aufgerundet) konnte von ETA gemäss Ziff. 2 lit. d evR anteilsmässig gekürzt werden, wenn ein Drittkunde in zwei aufeinanderfolgenden Jahren weniger als je 80 % der ihm zustehenden Menge bezogen hat. Die Lieferverpflichtung abzüglich dieser Kürzungen ergibt die sog. bestellbare Menge.

 

 

148. Der Abbildung 6 ist zu entnehmen, dass ETA im Jahr 2019 noch [60–70] % aller in der Schweiz hergestellten mechanischen Uhrwerke produzierte. Rz 85).
Neben den Herstellern mechanischer Uhrwerke, die im ursprünglichen Entscheid (vgl. Rz 84 f.) bzw. im ersten Wiedererwägungsverfahren bereits aufgeführt wurden, wie der Richemont-Gruppe ([0–5] %), Soprod ([0–5] %), Patek Philippe ([0– 5] %), LVMH ([0 –5] %) und der Swiss Technology Production SA (nachfolgend: STP; [0–5] %; vgl. Rz 164), ist neu die Kenissi Manufacture SA (Tochtergesellschaft von Rolex; nachfolgend: Kenissi), welche [...] mechanische Uhrwerke produziert, mit einem Produktionsanteil von [0–5] % zu nennen (vgl. Rz 164). Rolex, welche mechanische Uhrwerke einzig für ihre Uhrenmarke Rolex produziert, und Kenissi verfügten 2019 über einen gemeinsamen Produktionsanteil von [10–20] %.

 

 

(…) Bei der Produktionsanteilsberechnung wird die Eigenproduktion mechanischer Uhrwerke bei allen Marktteilnehmern miteinbezogen, während bei der Marktanteilsberechnung die Eigenproduktion bei keinem der Marktteilnehmer berücksichtigt wird.

 

 

(…) Bereits an dieser Stelle sei vorwegnehmend festgehalten, dass die Tatsache, dass die Eigenproduktion bei der Marktanteilsberechnung – analog zur ursprünglichen Untersuchung – nicht berücksichtigt wird, nicht bedeutet, dass die Produktionsmengen der Uhrwerkshersteller oder auch deren Produktionskapazitäten bei der Beurteilung der Frage, ob ETA nach wie vor marktbeherrschend ist, vorliegend nicht mit zu berücksichtigen wären (vgl. insbesondere Rz 415 ff.). (Rz 162).

 

 

168. Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle auch auf die Veränderung des Herfindahl- Hirschmann- Index (HHI) eingegangen, welcher in der ursprünglichen Untersuchung herangezogen wurde, um die Konzentration im Markt für mechanische Uhrwerke zu illustrieren (vgl. Rz 92). Die Tabelle 4 gibt die Entwicklung des HHI – basierend auf den oben aufgeführten Marktanteilen (vgl. oben Rz 163 ff.) – im Markt für mechanische Uhrwerke im Zeitraum 2011 bis 2019 wieder.
Tabelle 4: Entwicklung HHI mechanische Uhrwerke 2011 bis 2019.
Quelle: Erhebungen des Sekretariats. Vgl. Fn 39

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
HHI 6'300 5'700 5'200 4'600 4'700 4'700 4'400 4'400 4'100

 

 

169. Es zeigt sich, dass die Konzentration im Markt von 2010 auf 2011 zunimmt (2010: 5'900; vgl. Rz 92) und bis 2014 abnimmt. Nach einer leichten Konzentrationszunahme im Jahr 2015, sinkt die Konzentration im Markt bis ins Jahr 2019. Jedoch ist die Marktkonzentration mit einem HHI von 4’100 auch im Jahr 2019 verglichen zu 2014 – als die evR in Kraft trat – immer noch als hoch einzustufen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in der Periode 2014 bis 2019, wie auch bereits zuvor, im Wesentlichen eine Marktanteilsverschiebung von ETA zu Sellita stattfand (vgl. 165 ff.). Der Marktanteil von Sellita nahm von 2011 bis 2019 um [...] Prozentpunkte zu, während der Marktanteil von ETA in dieser Periode um [...] Prozentpunkte abnahm.

 

 

176. Der Grund für diese überaus starke Abnahme des Marktanteils von ETA im Jahr 2019 ist eine konkrete Verhaltensänderung von Swatch Group bzw. ETA bei der Umsetzung der evR im Jahr 2019. Erstens hat Swatch Group bzw. ETA für das Jahr 2019 [...] keine abweichenden Vereinbarungen mit KMUs im Sinne von Ziff. 4 lit. b evR abgeschlossen (vgl. Rz 7, Rz 136 f. und Rz 319 ff.). Zweitens hat Swatch Group bzw. ETA die Bestellfristen gemäss Ziff. 6 lit. e evR im Jahr 2019 erstmals strikt durchgesetzt, d.h. Bestellungen, die nach dem 30. Juni 2018 eingegangen sind, wurden nicht mehr akzeptiert.



177. Die geschilderte Verhaltensänderung von Swatch Group bzw. ETA hatte Auswirkungen auf [...] Kunden und betraf ein Bestellvolumen von insgesamt [...] Stück. Im Detail verzichtete Swatch Group bzw. ETA auf den Abschluss von abweichenden Vereinbarungen im Sinne von Ziff. 4 lit. b evR im Umfang von [...] Stück, [...].

 


178. Berücksichtigt man diese von Swatch Group bzw. ETA aufgrund ihrer Verhaltensänderung bei der Umsetzung der evR im Jahr 2019 nicht bediente Nachfrage bei der Marktanteilsberechnung, ergeben sich die in Tabelle 6 aufgeführten theoretischen Marktanteile für das Jahr 2019.

 

 

Unternehmen Referenz Kriterium evR Alle 4b 6e [...]

 


ETA [30-40]% [40-50]% [30-40]% [30-40]% [...]%
Sellita [50-60]% [40-50]% [40-50]% [50-60]% [...]%
Andere [10-20]% [10-20]% [10-20]% [10-20]% [...]%
Total 100% 100% 100% 100% 100%

 

Tabelle 6: Marktanteile mechanische Uhrwerke 2019 – Umsetzung evR.
Quelle: Erhebungen des Sekretariats. Vgl. Fn 39.
Hinweis: Referenz: Die Marktanteilsangaben beziehen sich auf Tabelle 3. Alle: Die zugrundeliegende Marktanteilsberechnung berücksichtigt das gesamte von der Verhaltensänderung von Swatch Group bzw. ETA betroffene Bestellvolumen (vgl. Rz 177). 4b: Die zugrundeliegende Marktanteilsberechnung berücksichtigt die Mengen, welche im Rahmen von abweichenden Vereinbarungen im Sinne von Ziff. 4 lit. b evR bestellt worden wären. 6e: Die zugrundeliegende Marktanteilsberechnung berücksichtigt die verspäteten Bestellungen. [....]

 

79. Werden die Mengen mechanischer Uhrwerke, welche im Rahmen von abweichenden Vereinbarungen im Sinne von Ziff. 4 lit. b evR bestellt worden wären, bei der Marktanteilsberechnung berücksichtigt, so ergibt sich ein Marktanteil für ETA im Jahr 2019 von [30 –40] %. Werden einzig die verspäteten Bestellungen (Ziff. 6 lit. e evR) berücksichtigt, so resultiert ein Marktanteil für ETA von [30–40] % im Jahr 2019. [...].

 

 

Zwischenfazit


180. Als erstes Zwischenfazit lässt sich somit festhalten, dass sich die insgesamt in der Schweiz produzierte Menge mechanischer Uhrwerke seit 2011 um 14 % erhöht hat; dies obwohl die Gesamtproduktionsmenge in den Jahren 2016 und 2017 aufgrund der in den vorangehenden Jahren rückläufigen Uhrenexporte abnahm (vgl. Rz 143). Gleiches gilt für die Produktionskapazitäten der Schweizer Hersteller mechanischer Uhrwerke, welche von 2011 bis 2019 – mit zwischenzeitlichen Anpassungen – um 16 % zunahmen (vgl. Rz 155). Das Marktvolumen, d.h. die insgesamt an Dritte verkaufte Menge mechanischer Uhrwerke, sank von 2011 bis 2019 um 41 %, wobei dieses insbesondere in den Jahren 2016 und 2017 aufgrund der in den vorangehenden Jahren rückläufigen Uhrenexporte stark abnahm (vgl. Rz 173).

 


181. Der aktuelle Wettbewerb hat sich von 2010 bis 2019 insofern geändert, als dass ETA wesentlich an Marktanteilen verloren hat (vgl. jedoch Rz 175 ff.) und Sellita ihren Marktanteil merklich erhöhen konnte (vgl. jedoch Rz 170 ff.). Die Produktionsanteile wie auch die Kapazitätsanteile der beiden wichtigsten Marktteilnehmer – welche bei der Beurteilung der Frage, ob ETA nach wie vor marktbeherrschend ist, mit zu berücksichtigen sind (vgl. Rz 393 ff.) – haben sich in dieser Periode aber nicht in gleichem Ausmasse verändert. Der Produktionsanteil von ETA ist gesunken, betrug aber im Jahr 2019 immer noch [...] der von Sellita produzierten Menge (vgl. Rz 145 und Rz 148). Gleiches gilt für die Kapazitätsanteile von ETA und Sellita (vgl. Rz 157 und Rz 159). Soprod und STP konnten ihre Marktanteile seit 2010 bzw. 2011 leicht erhöhen; alle anderen damals bereits aktiven Marktteilnehmer verfügten auch 2019 noch über Marktanteile von maximal [0– 5] %. Das gilt insbesondere für Ronda, die ihren Markteintritt 2016 plante. Mit Kenissi ist ein Unternehmen (mit einem Marktanteil von über 1 % im Jahr 2019) neu im Markt aktiv (vgl. Rz 148).

 

 

Zwischenfazit


209. Basierend auf der obigen Analyse der in der ursprünglichen Untersuchung sowie im ersten Wiedererwägungsverfahren bekannten und der in der Zwischenzeit neu erfolgten Markteintritte ist als Zwischenfazit festzuhalten, dass die Produktion der Hersteller mechanischer Uhrwerke für den Verkauf an Dritte (ohne ETA) sich in der Periode 2011 bis 2019 um 68 % bzw. [...] Stück erhöht hat, wobei der grösste Teil der Produktionssteigerung, nämlich [...] % bzw. ca. [...] Stück, auf Sellita entfällt. Die Produktionskapazitäten der Hersteller mechanischer Uhrwerke mit Verkauf an Dritte erhöhten sich in dieser Periode um 84 %, was ca. [...] Stück entspricht, wobei rund [...] dieser Kapazitätssteigerung auf Sellita entfällt. Festzuhalten ist, dass sowohl die Produktionssteigerung wie auch die Kapazitätssteigerung der Hersteller mechanischer Uhrwerke, die ihre Uhrwerke an Dritte verkaufen, im Wesentlichen zwischen 2011 und 2014 erfolgte, bedingt durch die 2015 und 2016 rückläufigen Uhrenexporte und der daraus folgenden abnehmenden Nachfrage nach mechanischen Uhrwerken.
Insgesamt ist somit in der Periode 2011 bis 2019 eine Produktions- und Kapazitätssteigerung der Hersteller mechanischer Uhrwerke für den Verkauf an Dritte (ohne ETA) festzustellen.

 

 

210. Auch festzuhalten ist jedoch, dass die Expansionsabsichten damals bestehender Anbieter sowie die Aufbaupläne neuer Anbieter nur teilweise erfolgreich waren.
Sellita erweiterte seit 2011 ihr Sortiment und erhöhte ihre Produktionskapazitäten sowie ihre Produktionsmenge, erreichte aber nicht das damals geplante Ziel [...] (vgl. Rz 184 ff.). Soprod, welche auch heute noch hauptsächlich ein Kaliber anbietet, verfügt bereits seit 2011 über [...] jährliche Produktionskapazitäten, konnte eine geplante Kapazitätserhöhung [...] und die bestehenden Kapazitäten [...] auslasten (vgl. Rz 187 ff.). STP, welche hauptsächlich ein Basisuhrwerk verkauft, konnte ihre
Produktionskapazitäten wie geplant [...], diese [...] auslasten (vgl. Rz 190 f.). Ein wesentlicher Grund für die nicht erreichten Kapazitäts- bzw. Produktionserhöhungen – der auch von den genannten Herstellern mechanischer Uhrwerke vorgebracht wird – dürfte die in der Umsetzungsphase der evR ab 2015 sinkende Nachfrage nach mechanischen Uhrwerken gewesen sein. Sellita gibt als weiteren Grund an, dass die Verfügbarkeit von Assortiments ihr keinen weiteren Kapazitätsausbau ermögliche. Auch die freien Produktionskapazitäten von [...] dürften in erster Linie auf die sinkende Nachfrage zurückzuführen sein
.

 

 

211. In Bezug auf neue Anbieter ist festzuhalten, dass die Pläne von Ronda, ein substituierbares mechanisches Uhrwerk industriell zu produzieren, zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund von Problemen bei der Industrialisierung nur ansatzweise umgesetzt sind (vgl. Rz 192 f.). Das einzige Unternehmen, welches mit einem Marktanteil von über 1 % im Jahr 2019 neu im Markt aktiv ist, ist Kenissi, welche hauptsächlich für ihre Schwestergesellschaft produziert und bis 2019 [...] Kunden beliefert hat.
Kenissi selbst hat [...]; zudem sind die von Kenissi produzierten mechanischen Uhrwerke nicht mit Uhrwerken von ETA oder Sellita substituierbar (vgl. Rz 194 sowie Rz 234). Die wenigen anderen Unternehmen, welche in der relevanten Periode mit der Produktion und dem Verkauf mechanischer Uhrwerke begannen, produzieren nur marginale Mengen an mechanischen Uhrwerken und teilweise in erster Linie für den Eigengebrauch (vgl. Rz 195 ff.). Schliesslich haben sechs Unternehmen ohne Erfolg versucht, eine Produktion mechanischer Uhrwerke für den Verkauf an Dritte aufzubauen
 (vgl. Rz 199 ff.).

 

 

218. Neben den technischen Eigenschaften spielen jedoch auch die Qualität und der Preis eines Uhrwerks eine wichtige Rolle. In Bezug auf den Qualitätsaspekt wurde in der ursprünglichen Verfügung festgehalten, dass mechanische ETA-Uhrwerke einen ausgezeichneten Ruf punkto Qualität und Zuverlässigkeit geniessen. Neben messbaren Qualitätseigenschaften wie Ganggenauigkeit oder Gangreserve ist insbesondre auch die Zuverlässigkeit im Gebrauch, welche erst über Jahre feststellbar ist, von grosser Bedeutung für die Kunden und damit die Uhrenhersteller. Letztere vertrauen im Zweifelsfall lieber auf bewährte Produkte als ein neues Werk, dessen Zuverlässigkeit nicht bekannt ist, in ihre Uhren einzubauen (vgl. auch Rz 96).



219. In Bezug auf den Preisaspekt wurde in der ursprünglichen Verfügung festgehalten, dass sich der Preis (und auch die Qualität) eines mechanischen Uhrwerks in der Regel proportional zum Endverkaufspreis der Uhr verhalten: Je teurer die Uhr, desto komplexer
und teurer das Uhrwerk. Je nach Preissegment macht das Uhrwerk ca. 20–40 % des ex-factory Preises der fertigen Uhr aus. Weiter wurde festgehalten, dass für Uhren in höheren Preissegmenten günstigere Uhrwerke bis zu einem gewissen Grad als (imperfekte) Substitute für teurere Uhrwerke angesehen werden können, da gelegentlich vergleichsweise günstige Uhrwerke in hochpreisige Uhren eingebaut werden. Für Uhren in tieferen Preissegmenten sind hochpreisige Uhrwerke jedoch keine Alternative zu günstigeren Kalibern, da dies Auswirkungen auf den Verkaufspreis der Uhr hat. Dies gilt insbesondere für «haut-de-gamme»-Uhrwerke, welche in der Regel einen anderen Aufbau als industriell hergestellte Uhrwerke haben, mit besonderen Funktionen und höherwertigen Dekorationen ausgestattet sind, in geringen Stückzahlen hergestellt werden und ab 700–1'000 bis über 10'000 CHF verkauft werden.

 

 

284 Gegen die Definition eines eigenen Marktes für jedes einzelne
Kaliber spricht die Angebotssubstituierbarkeit, denn die einzelnen
Kaliber lassen sich in Kaliberfamilien einteilen. Innerhalb einer Familie basieren alle Kaliber auf derselben Platine, der Grundplatte des Uhrwerks, auf welcher die anderen Teile des Uhrwerks montiert werden
.
Die Umstellung der Produktion von einem Kaliber einer Kaliberfamilie
derselben Preiskategorie auf ein anderes Kaliber derselben Kaliberfamilie derselben Preiskategorie ist technisch durchaus möglich und der Kosten- und Zeitaufwand für die Umrüstung können insgesamt als nicht übermässig erachtet werden. Ob der Markt je nach Kaliber oder
Kaliberfamilie unterteilt werden müsste, wurde in der ursprünglichen
Untersuchung aber offengelassen, da es auf das Resultat keinen
Einfluss hatte. Vgl. RPW 2014/1, 224 Rz 95 ff., Swatch Group Lieferstopp.

 

 

245. In Bezug auf die Kritik von Swatch Group, die Übersicht zur Substituierbarkeit in Tabelle 7 sei unrichtig, weil Substitute von Sellita und Kenissi unterschlagen worden seien, ist zu wiederholen, dass Tabelle 7 basierend auf den Angaben von Swatch Group und den jeweiligen Herstellern, also u.a. Sellita und Kenissi, zusammengestellt wurde (vgl. Rz 238). Die Argumentation von Swatch Group, weshalb die Übersicht in Tabelle 7 sachlich unhaltbar sei und weshalb diese um die Uhrwerke von Sellita und Kenissi erweitert werden müsste, basiert darauf, dass ein Uhrenhersteller durch einfache Modifikationen an der Uhrenschale den Einbau alternativer Uhrwerke ermöglichen könne und insbesondere «kleine» Uhrwerke durch die Verwendung von Schalenringen bei «grossen» Uhrengehäusen verwendet werden können, weshalb die Substituierbarkeit vor allem anhand der Uhrengrösse zu beurteilen sei. Ob solche «einfache Modifikationen» der Uhrenschale dazu führen, dass Uhrenhersteller tatsächlich gleichwertige Uhren mit alternativen Uhrwerken herstellen können – wie Swatch Group behauptet – und somit eine weitergehende Substituierbarkeit vorläge, ist fraglich, kann jedoch vor dem
Hintergrund, dass die WEKO – wie nachfolgend dargelegt wird (vgl. Rz 382 ff.) – zum Schluss kommt, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Änderung des ursprünglichen Entscheids nicht gegeben sind und Swatch Group folglich keine weiteren Massnahmen im Zusammenhang mit der Lieferung mechanischer Uhrwerke an Drittkunden auferlegt werden, dahinstehen
.

 

 

Zunächst ist richtigzustellen, dass im Antrag des Sekretariats (vgl. Rz 38 f.) nicht festgestellt wurde, dass die mechanischen Uhrwerke von alternativen Herstellern bezüglich Qualität nicht mit jenen von ETA
ebenbürtig seien, sondern in differenzierter Weise festgehalten wurde und wird (vgl. Rz 255, Rz 285 sowie Rz 374), dass die mechanischen Uhrwerke von [...] in qualitativer Hinsicht als leicht schlechter bis vergleichbar eingeschätzt werden, jedoch die Reputation von [...]
noch nicht mit derjenigen von ETA vergleichbar sei, die Qualität der mechanischen Uhrwerke von Soprod mehrheitlich als tiefer eingeschätzt werde, diejenige der mechanischen Uhrwerke von STP als vergleichbar und diejenige der mechanischen Uhrwerke von Ronda als noch nicht vergleichbar. Aus einem Bestellrückgang bei ETA auf die qualitative Ebenbürtigkeit von mechanischen Uhrwerken anderer Hersteller zu schliessen, ist spekulativ und nicht eindeutig.

 

 

Zwischenfazit


253. In Bezug auf die Substituierbarkeit ist als Zwischenfazit festzuhalten, dass Ende 2019 für acht der von ETA in der Periode 2013 bis 2018 meistverkauften mechanischen Uhrwerke Substitute auf dem Markt erhältlich sind (vgl. Rz 238 ff.). Allerdings ist die Auswahl an vorhandenen Substituten – insbesondere an Substituten in einem
ähnlichen Preissegment – eingeschränkt und nicht so umfangreich, wie dies Swatch Group darstellt (vgl. Rz 242). Einzig Sellita bietet Ende 2019 für eine grössere Zahl, nämlich sieben, der meistverkauften mechanischen Uhrwerke von ETA Substitute an (vgl. Rz 184 und
Rz 240). Für das in der Periode 2013 bis 2018 [...] mechanische Uhrwerk von ETA existieren drei mögliche Alternativen; für das [...] Uhrwerk gab es bis jetzt keine Alternative. Ergänzend sei wiederholt, dass die mechanischen Uhrwerke von Kenissi, dem einzigen (mit einem
Marktanteil von über 1 % im Jahr 2019) neu im Markt aktiven Unternehmen, nicht mit denjenigen von ETA austauschbar sind.

 

(…) Gemäss den befragten Unternehmen, die Vaucher nennen, sei dieser Uhrwerkshersteller ein kleiner Lieferant im oberen Segment, dessen Uhrwerk unerschwinglich und teilweise qualitativ schlechter sei (vgl. Rz 250).

 

In Bezug auf die Einschätzung der heutigen Wettbewerbsintensität der befragten Unternehmen (vgl. Rz 269 ff.) ist festzuhalten, dass die Mehrheit der Ansicht ist, dass diese im Vergleich zu 2013 unverändert ist bzw. zugenommen hat (Rz 281).

 

 

B.3.4.2.5 Zwischenfazit


282. Basierend auf den Ausführungen zur Entwicklung der Wettbewerbsverhältnisse (vgl. Rz 143 ff.), der Analyse der Markteintritte (vgl. Rz 182 ff.), der Analyse der Substituierbarkeit (vgl. Rz 212 ff.) sowie der Einschätzung der befragten Marktteilnehmer (vgl. Rz 257 ff.) lässt sich folgendes Zwischenfazit ziehen.


283. Die insgesamt in der Schweiz produzierte Menge mechanischer Uhrwerke wie auch die Produktionskapazitäten aller Schweizer Hersteller mechanischer Uhrwerke haben sich seit 2011 erhöht, obwohl die Gesamtproduktionsmenge wie auch die gesamten Produktionskapazitäten in den Jahren 2016 und 2017 aufgrund der in den vorangehenden Jahren rückläufigen Uhrenexporte und der damit sinkenden Nachfrage nach mechanischen Uhrwerken abnahmen. Das Marktvolumen, d.h. die insgesamt an Dritte verkaufte Menge mechanischer Uhrwerke, nahm in den Jahren 2011 bis 2019 – insbesondere in den Jahren 2016 und 2017 als Folge der sinkenden Nachfrage – stark ab.


284. Der aktuelle Wettbewerb hat sich von 2010 bis 2019 insofern geändert, als dass im Wesentlichen eine Marktanteilsverschiebung von ETA zu Sellita stattfand. Dabei zu berücksichtigen ist jedoch einerseits, dass der starken Marktanteilsabnahme von ETA im Jahr 2019 eine grundlegende Verhaltensänderung von Swatch Group bzw. ETA bei der Umsetzung der evR-Kriterien zugrunde lag. Andererseits führte eine relativ geringe Erhöhung der Verkaufsmenge von Sellita zusammen mit der Abnahme des Marktvolumens und gleichzeitig starker Abnahme der Verkaufsmenge mechanischer Uhrwerke von ETA zu einer erheblichen Marktanteilszunahme von Sellita. Die Produktionsanteile wie auch die Kapazitätsanteile dieser beiden wichtigsten Marktakteure haben sich seit 2011 nicht in gleichem Ausmasse verändert. Der Produktionsanteil, wie auch der Kapazitätsanteil von ETA sind gesunken, betrugen aber 2019 immer noch [...] der von Sellita produzierten Menge bzw. der Produktionskapazitäten von Sellita. Soprod und STP konnten ihre Marktanteile leicht erhöhen; alle anderen damals bereits aktiven Marktteilnehmer, wie Concepto oder Vaucher, verfügten auch 2019 noch über Marktanteile von maximal [0–5] %. Das gilt insbesondere für Ronda, die ihren Markteintritt 2016 plante. Mit Kenissi ist ein Unternehmen (mit einem Marktanteil von über 1 % im Jahr 2019) neu im Markt aktiv.



285. Basierend auf der vorgenommenen Analyse der Substituierbarkeit ist festzuhalten, dass Ende 2019 für acht der von ETA in der Periode 2013 bis 2018 meistverkauften mechanischen Uhrwerke Substitute auf dem Markt erhältlich sind. Für [...] existieren drei mögliche Alternativen (von Sellita, STP und Ronda); für [...] gab es bis jetzt keine Alternative. Sellita bietet Ende 2019 für
eine grössere Zahl der meistverkauften mechanischen Uhrwerke von ETA Substitute an. Die von Sellita angebotenen Substitute bewegen sich preislich im gleichen Segment wie diejenigen von ETA. Auch Ronda, welche ein Kaliber produziert und verkauft, sowie STP, welche hauptsächlich ein Basisuhrwerk verkauft, bieten ihre Substitute zu vergleichbaren Preisen an wie ETA. Die Preise von Soprod, welche auch heute noch hauptsächlich ein Kaliber verkauft, sind höher. Die mechanischen Uhrwerke von Concepto und zweifelsfrei von Vaucher stellen insbesondere bei Uhren in unteren Preissegmenten nur schwer bis gar keine Alternative dar, da sich deren Preise in höheren Preissegmenten bewegen. In
qualitativer Hinsicht scheinen die mechanischen Uhrwerke von [...] mittlerweile mit denjenigen von ETA gleichzusetzen sein, auch wenn deren Reputation noch nicht diejenige von ETA-Uhrwerken erreicht hat. Die Qualität der mechanischen Uhrwerke von Soprod wird mehrheitlich als tiefer eingeschätzt, diejenige der mechanischen Uhrwerke von STP als vergleichbar und diejenige der mechanischen Uhrwerke von Ronda als noch nicht vergleichbar. Wiederholt sei, dass die mechanischen Uhrwerke von Kenissi nicht mit denjenigen von ETA austauschbar sind.


286. Die Analyse der in der ursprünglichen Untersuchung sowie im ersten Wiedererwägungsverfahren identifizierten und der in der Zwischenzeit neu erfolgten Markteintritte zeigte auf, dass sich die Produktion der Hersteller mechanischer Uhrwerke für den Verkauf an Dritte (ohne ETA) wie auch deren Produktionskapazitäten in der Periode 2011 bis 2019 erhöht haben, wobei der grösste Teil der Produktions- und Kapazitätssteigerung auf Sellita entfällt. Sowohl die Produktions- wie auch die Kapazitätssteigerung erfolgte aufgrund der ab 2015 sinkenden Nachfrage im Wesentlichen zwischen 2011 und 2014
.

 

 

305. Die gleiche Entwicklung zeigt die Betrachtung der Bezugsaufteilung der Kunden von ETA auf die drei möglichen Bezugsquellen, ETA, Sellita oder andere Hersteller mechanischer Uhrwerke. In der nachfolgender Tabelle 11 sind die Bezugsanteile der Kunden von ETA in den Jahren 2014 bis 2019 dargestellt. Während die Kunden von ETA 2014 bis 2016 zwischen [50–60] % bis [50–60] % ihres Bezugs mechanischer Uhrwerke bei ETA und [30–40] % bis [30–40] % ihres Bezugs bei Sellita
tätigten, teilten diese 2017 und 2018 ihren Bezug mechanischer Uhrwerke zu [40–50] % bzw. [40–50] % auf ETA und zu [40–50] % auf Sellita auf. Im Jahr 2019 tätigten die Kunden von ETA ihren Bezug mechanischer Uhrwerke dann überwiegend bei Sellita, nämlich zu [50–
60] %. Bei ETA tätigten sie noch einen Anteil von [30–40] % ihres Bezugs mechanischer Uhrwerke. Einzig ca. [0–10] % bis [10–20] % ihres Bezugs mechanischer Uhrwerke tätigten die Kunden von ETA in der relevanten Zeitperiode bei anderen Herstellern mechanischer Uhrwerke (S. 366).

 

323. Der Rückgang der Bestellungen im Rahmen von Ziff. 3 evR in den Jahren 2017 und 2018 führte dazu, dass das Kürzungsrecht gemäss Ziff. 2 lit. d evR im Jahr 2019 erstmals zum Tragen kam und ETA die bestellbare Menge insgesamt um [...] Stück kürzte (vgl. Abbildung 14 wie auch Rz 176 f.). Wie in Abbildung 15 ersichtlich, nahmen die von den Kunden im Rahmen von Ziff. 3 evR bestellten Mengen 2019 wieder zu und bestellten die Kunden von ETA 2019 die Ihnen gemäss Ziff. 3 evR zustehenden Mengen bei ETA zu [...] %, was wiederum auch im Kontext der Entwicklung der Uhrenexporte zu sehen ist, welche ab 2017 wieder anstiegen.

 

B.3.4.4 Ausführungen zu Assortiments

 

356. Das Assortiment, welches benötigt wird, um aus einem sog. Ebauche (Bausatz eines mechanischen Uhrwerks) ein funktionierendes mechanisches Uhrwerk herzustellen, ist der wichtigste Input für die Herstellung eines mechanischen Uhrwerks. So stellte die WEKO in der ursprünglichen Untersuchung fest, dass die Beschaffung von Assortiments aufgrund der starken Marktstellung von Nivarox (vgl. Rz 360) eine wesentliche Markteintrittshürde darstellt und Expansionsprojekte von bestehenden Anbietern sowie etliche Aufbauprojekte für den Eigengebrauch kurz- bis mittelfristig noch auf Assortiments von Nivarox angewiesen sein würden (vgl. Rz 96 ff.).

 

357. Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, auch den Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Assortiments und den ursprünglichen Entscheid in dieser Hinsicht in der gebotenen Kürze zu thematisieren.

 

358. Einleitend sei jedoch angefügt, dass die nachfolgenden Ausführungen betreffend Assortiments einzig unter dem oben genannten Aspekt (Assortiment als Input für mechanische Uhrwerke) erfolgen und nicht zum Ziel haben, eine Gesamtbetrachtung der Entwicklungen in diesem Markt seit dem ursprünglichen Entscheid im Jahr 2013 darzulegen, um die von Sellita vorgebrachten Vorwürfe betreffend Assortiments und Nivarox zu prüfen und die entsprechenden Anträge von Sellita zu behandeln. Wie bereits ausgeführt, liegen die Anträge von Sellita, welche auf eine Regelung des Verhaltens von Swatch Group bzw. Nivarox im Bereich Assortiments gerichtet sind, ausserhalb des Gegenstands des vorliegenden Verfahrens (vgl. Rz 28 ff. und Rz 56 ff.). 

359. In ihrem ursprünglichen Entscheid stellte die WEKO nicht nur fest, dass ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke markbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG ist, sondern auch Nivarox auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Assortiments. Auch die Einstellung der Lieferungen von Assortiments bis 2014 wurde von der WEKO als missbräuchliche Verhaltensweise im Sinne von Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Bst. a KG qualifiziert. Für die WEKO stand fest, dass der von Swatch Group geplante Lieferstopp den wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für mechanische Uhrwerke sowie auf dem nachgelagerten Markt für mechanische Fertiguhren stark behindert, da die Marktteilnehmer auf absehbare Zeit noch auf Lieferungen von ETA resp. Nivarox angewiesen sind (vgl. Rz 4).

 

360. Bei der Beurteilung der Frage, ob ETA eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Assortiments einnimmt, hielt die WEKO betreffend den aktuellen Wettbewerb fest, dass Nivarox im Jahr 2010 [80–90] % aller in der Schweiz hergestellten Assortiments produzierte. Einzig Rolex stellte neben Nivarox noch grössere Mengen Assortiments her und wies einen Produktionsanteil von [5–10] % im Jahr 2010 auf. Bei Betrachtung der Mengen, welche Hersteller von Assortiments an Dritte lieferten, ergab sich für Nivarox einen Marktanteil von [90– 100] % im Jahr 2010. Als weitere Hersteller, welche sehr geringe Mengen Assortiments an Dritte verkauften, wurden MHVJ der Festina-Gruppe (vgl. Rz 187), die zur Sandoz-Stiftung gehörende Atokalpa, die seit 2017 zur Acrotec-Gruppe gehörende Sigatec SA (nachfolgend: Sigatec), Technotime (vgl. Rz 201), die Precision Engineering AG (nachfolgend: Precision Engineering) und Concepto genannt. Die WEKO hielt fest, dass Nivarox über ein Quasi-Monopol auf dem Markt für in der Schweiz hergestellte Assortiments verfüge und sich deshalb weitgehend unabhängig von der aktuellen Konkurrenz verhalten könne.

 

361. Mangels der disziplinierenden Wirkung des aktuellen Wettbewerbs auf Nivarox, wurde in der ursprünglichen Untersuchung auch der Einfluss des potentiellen Wettbewerbs geprüft. Die Analyse möglicher Marktzutrittsschranken wie Know-How und Kostenvorteile, Investitionsbedarf und Gewinnaussichten, Beschaffung von Produktionsinputs, Reputation und Switching Costs zeigte, dass diese als sehr hoch einzustufen sind. Zudem wurde eine Analyse vergangener und damals aktueller Expansionsprojekte durchgeführt, wobei einerseits die Markteintritte der letzten Jahre und anderseits Projekte von Uhrenherstellern bzw. Uhrwerkshersteller, welche damit begonnen hatten, Assortiments für den Eigengebrauch herzustellen, herangezogen wurden. Die Analyse zeigte, dass vergangene Markteintritte für den Aufbau von Produktionskapazitäten, welche einem Bruchteil der Kapazitäten von Nivarox entsprechen, ungefähr fünf bis acht Jahre benötigten, die Realisierung weiterer Projekte zum Kapazitätsausbau teilweise unsicher war und die ausgebauten Kapazitäten noch immer deutlich unter jenen von Nivarox zu liegen kämen. Allfällige neue Markteintritte bräuchten dementsprechend sehr lange, bis sie konkurrenzfähige Produkte zu Nivarox anbieten könnten. Zusätzlich wurde festgestellt, dass aufgrund immaterialgüterrechtlicher Streitigkeiten betreffend die Herstellung von Siliziumspiralen für Assortiments Markteintritte, welche auf der Siliziumtechnologie basieren, wohl auszuschliessen sind. Kurz- bis mittelfristig werde es keine neuen Anbieter auf dem Markt geben, die in puncto Menge, Qualität und Preis mit Nivarox werden konkurrieren können. Weiter würden verschiedene Abnehmer von Nivarox ihren Eigenversorgungsgrad an Assortiments erhöhen, wobei es sich jedoch um relativ geringe Kapazitäten handle, welche erst längerfristig ins Gewicht fallen dürften. Zu beachten sei auch, dass die erhöhte Eigenproduktion an Uhrwerken zu einem grösseren Bedarf nach Assortiments führen werde und die Nachfrage nach Assortiments tendenziell zunehmen werde. Zusammenfassend hielt die WEKO fest, dass potentielle Konkurrenz in Form von Expansionsabsichten von bestehenden Anbietern zwar vorhanden sei und verschiedene Uhrenhersteller die Eigenproduktion forcieren, dies jedoch kurz- bis mittelfristig nicht ausreiche, um Nivarox disziplinieren zu können.

 

362. Eine erste einvernehmliche Regelung (evR I), welche nicht nur die schrittweise Lieferreduktion für mechanische Uhrwerke, sondern auch für Assortiments regelte, wurde von der WEKO jedoch nicht genehmigt (vgl. Rz 102). Die WEKO betrachtete ein Phasing-Out für Assortiments als verfrüht. Es sei zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, doch wies die WEKO darauf hin, dass die Aufnahme von Verhandlungen über ein Phasing-Out für Assortiments von der Marktentwicklung sowie vom weiteren Verlauf des hängigen Patentrechtsstreits betreffend Siliziumspiralen abhänge. Nach Rückweisung der Sache an das Sekretariat durch die WEKO und Neuverhandlungen mit Swatch Group gemäss Anweisung der WEKO, wurde die in Rz 5 wiedergegebene evR im ursprünglichen Entscheid genehmigt. Die WEKO stellte ergänzend klar, dass Nivarox ihre Kunden im Rahmen ihrer Produktionskapazitäten mit Assortiments beliefern muss.

 

363. Wie bereits erwähnt wurden mittels der durchgeführten Marktbefragung (vgl. Rz 18 ff.) auch Daten zum Bereich Assortiments – dem wichtigsten Input eines mechanischen Uhrwerks – erhoben (vgl. Rz 119). In diesem Zusammenhang wurden den Marktteilnehmern in erster Linie Fragen zur Produktion und zum Bezug von Assortiments gestellt.

 

364. Die Auswertung der erfolgten Antworten zeigte auf, dass von den insgesamt 162 befragten Unternehmen mit verwertbarem Fragebogen (vgl. Rz 18 ff. und Rz 119) nur acht Unternehmen (5 %) angegeben haben, Assortiments herzustellen und an Dritte zu verkaufen. Dazu gehören die im ursprünglichen Entscheid genannten Unternehmen Atokalpa, Precision Engineering und Sigatec wie auch die zur Acrotec-Gruppe gehörenden Unternehmen Mimotec SA und muDec SA, welche bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Untersuchung aktiv waren. MHVJ (vgl. Rz 187) und Concepto haben hingegen angegeben, keine Assortiments an Dritte zu verkaufen, und Technotime ging 2016 Konkurs (vgl. Rz 201). Neu im Markt aktiv sind seit 2015 die Feller Pivotages SA, Schwarz Etienne mit ihrer Tochtergesellschaft E2O innovations SA und seit [...] die zur Rolex-Gruppe gehörende Kenitec SA.

 

(…) vorliegenden Wiederwägungsverfahren primär geprüft werden soll, ob die evR, welche ausschliesslich das Verhalten von Swatch Group und ETA im Bereich mechanische Uhrwerke regelt, zum 31. Dezember 2019 auslaufen darf (vgl. Rz 14 f. und Rz 56 ff.). (Rz 365).

 

366. Für das vorliegende Wiedererwägungsverfahren relevant ist jedoch, dass die Marktbefragung gezeigt hat, dass von den 54 Unternehmen, die angegeben haben, in der Periode 2011 bis 2019 mechanische Uhrwerke produziert zu haben (vgl. Rz 128), 35 Unternehmen (65 %) Assortiments nicht selbst herstellen, sondern bei Dritten beziehen. Davon wiederum hat mehr als die Hälfte der Unternehmen, nämlich 20 Unternehmen (57 %), angegeben, bei Nivarox Assortiments zu beziehen. Die nachfolgende Tabelle 14 zeigt im Detail, wie viele Uhrwerkshersteller in der Periode 2014 bis 2019 welche der zwei Bezugsmöglichkeiten (Nivarox und andere Hersteller Assortiments [gemeinsam: Andere]) genutzt haben, um ihren Bedarf an Assortiments zu decken.

 

Bezug bei 

Anz. Unternehmen 

Anteil (in %) 

Nivarox & Anderen 

12 

34 

Nivarox 

23 

Anderen 

14 

40 

Keine Angabe 

Total 

35 

100 

367. Die Tabelle 14 zeigt, dass rund ein Drittel der Uhrwerkshersteller in der Periode 2014 bis 2019 sowohl bei Nivarox als auch bei Anderen Assortiments bezogen haben. Knapp ein Viertel der Uhrwerkshersteller hat in der Periode 2014 bis 2019 Assortiments einzig bei Nivarox bezogen.

 

368. Unter den Unternehmen, die Assortiments in der Periode 2014 bis 2019 einzig bei Nivarox beziehen, ist auch Sellita, die mit Abstand wichtigste Konkurrentin von ETA(vgl. Rz 139 ff.).

 

369. Im ursprünglichen Entscheid wurde festgehalten, dass Sellita auf die Produkte von Nivarox angewiesen sei und ihre zukünftige Produktionskapazität (für mechanische Uhrwerke) insbesondere davon abhänge, ob die Versorgung mit Assortiments sichergestellt werden könne. Sellita hat deshalb zum Zeitpunkt der ursprünglichen Untersuchung damit begonnen, eine eigene Produktion von Assortiments aufzubauen, wobei der Produktionsaufbau damals noch am Anfang stand. Sellita plante, im Jahr [...] zu produzieren.Sellita begann [...] mit der Assortimentsproduktion, [...]. Während Sellita im Jahr 2016 [...] Assortiments produzierte, waren dies 2017 [...] und 2018 [...] Stück. [...].

 

370. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass ein Grossteil der Uhrwerkshersteller bei ihrer Produktion mechanischer Uhrwerke – sei es für den Verkauf an Dritte oder den Eigengebrauch – und insbesondere Sellita nach wie vor auf Assortiments von Nivarox angewiesen sind und sich damit die in der ursprünglichen Untersuchung vorgenommene Beurteilung nicht verändert hat.

 

379. Betreffend die Eigenversorgung der Kunden von ETA ist festzuhalten, dass rund ein Fünftel der Kunden von ETA über eine eigene Produktion mechanischer Uhrwerke verfügt, welche über einen aggregierten Eigenversorgungsgrad von 22 % im Jahr 2019 verfügen.

 

381. In Bezug auf die Beschaffung von Assortiments ist festzuhalten, dass ein Grossteil der Uhrwerkshersteller und insbesondere Sellita bei ihrer Produktion mechanischer Uhrwerke – sei es für den Verkauf an Dritte oder den Eigengebrauch – nach wie vor auf Assortiments von Nivarox angewiesen sind und sich damit die in der ursprünglichen Untersuchung vorgenommene Beurteilung nicht verändert hat.

 

B.3.5 Voraussetzung für Widerruf oder Änderung des Genehmigungsentscheids nicht gegeben 

382. Voraussetzung für die Wiedererwägung eines Entscheids im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG ist die wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, welche sich nach dem erstinstanzlichen Entscheid der WEKO zugetragen hat (vgl. Rz 70 ff.). Zu wiederholen ist an dieser Stelle, dass die Prüfung, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse seit dem ursprünglichen Entscheid wesentlich verändert haben, vorliegend die Frage zum Gegenstand hat, ob die sich zum Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids abzeichnenden Marktentwicklungen eingetreten sind. Denn die WEKO genehmigte die evR in Ziff. 3 des Dispositivs der ursprünglichen Verfügung gestützt auf die Erwartung, dass sich die Marktverhältnisse so entwickeln, wie sich dies zum Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids abzeichnete. Die WEKO ging somit von einer Veränderung der Marktverhältnisse aus. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG liegt hier somit vor, wenn sich die Marktverhältnisse nicht wie erwartet entwickelt haben (vgl. Rz 74 ff.). Ferner können die Bestimmungen der evR auch nur dann im Rahmen einer Wiedererwägung über die ursprüngliche Befristung hinaus verlängert werden, wenn neben der Marktbeherrschung nach wie vor ein konkret drohendes missbräuchliches Verhalten abzuwenden ist.

511 Eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse gemäss Art. 30 Abs. 3 KG ist vorliegend nicht ersichtlich (vgl. Rz 74).

 

(…) In diesem Zusammenhang sei wiederholt, dass die WEKO mit der Genehmigung der evR im ursprünglichen Entscheid nicht beabsichtigte, die marktbeherrschende Stellung von ETA zu beseitigen (Rz. 384). Mit der Genehmigung der evR legte die WEKO vielmehr fest, wie verhindert werden sollte, dass sich Swatch Group bzw. ETA mit einem kurzfristigen Lieferstopp im Sinne von Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Bst. a KG missbräuchlich verhält. Die evR sollte i) die Lieferung mechanischer Uhrwerke durch ETA sicherstellen (mittels Lieferverpflichtung für ETA) bis weitere Akteure in genügendem Ausmass im Markt für mechanische Swiss made Uhrwerke tätig sind und ii) alternativen Anbietern die Möglichkeit geben, sich zu etablieren bzw. ihre Produktionskapazitäten zu erhöhen (mittels Lieferbeschränkung für ETA; vgl. Rz 6 f.). Mit der Genehmigung der evR durch die WEKO verfügte Swatch Group bzw. ETA über die Gewissheit, dass sie bei Einhaltung der evR mit ihrem Phasing-out nicht gegen Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Bst. a KG verstossen würde. Ferner war zu erwarten, dass sich als Folge der Umsetzung der evR die Konkurrenz für ETA verstärken und die Knappheitsproblematik entschärft würde. Hingegen vermittelt die evR offenkundig keine Gewähr, dass ETA nach Ablauf der evR nicht mehr als marktbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG gelten würde (vgl. auch Rz 432).

 

389. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die eingetretenen Marktentwicklungen als ausreichend anzusehen sind, damit die Lieferverpflichtung sowie die Lieferbeschränkung von ETA gemäss evR zum 31. Dezember 2019 auslaufen dürfen. In der Gesamtschau liegt mithin im Hinblick auf den ursprünglichen Entscheid der WEKO, die evR zu genehmigen (Ziff. 3 des Dispositivs der ursprünglichen Verfügung), keine wesentliche Veränderung der Tatsachen im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG vor. Auf den damaligen Genehmigungsentscheid der WEKO ist also nicht zurückzukommen. Mit dem Auslaufen der evR liegt es in Zukunft in der Verantwortung der Swatch Group, ihre marktbeherrschende Stellung (vgl. Rz 413 ff.) nicht im Sinne von Art. 7 KG zu missbrauchen (vgl. auch Rz 439).

 

392. Da Sellita die vorgenannten Anträge insbesondere auch mit Tatsachenvorbringen zu angeblichen künftigen missbräuchlichen Verhaltensweisen von ETA (Belieferung einzig von bestimmten Drittkunden mit höherwertigen und teureren Produktion ab Ablauf der evR bzw. dem Geltungsende der vorsorglichen Massnahmen; vgl. dazu auch Rz 21, Rz 24, Rz 27)begründet, ist nochmals an Folgendes zu erinnern: Die WEKO hat im vorliegenden Wiedererwägungsverfahren primär die Frage zu beantworten, ob die sich zum Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids der WEKO abzeichnenden Marktentwicklungen eingetreten sind, damit die Lieferverpflichtung und die damit verbundene Lieferbeschränkung tatsächlich zum 31. Dezember 2019 auslaufen dürfen; «Stichtag» für die Sachverhaltsermittlungen ist somit der 31. Dezember 2019. Das künftige Verhalten von Swatch Group bzw. ETA im Bereich mechanischer, in der Schweiz hergestellter Swiss made Uhrwerke, ist, sofern es nicht Gegenstand des ursprünglichen Entscheids war, im vorliegenden Wiedererwägungsverfahren nicht zu beachten. Es kann aber Gegenstand künftiger anderer kartellrechtlicher Verfahren und Massnahmen sein, sofern hierfür die Voraussetzungen gegeben sind (vgl. dazu auch oben Rz 66 und Rz 439).

 

517 Gegenstand der damaligen Beurteilung war ein vollständiger Stopp der Belieferung von Drittkunden mit den damals von ETA produzierten mechanischen Swiss made Uhrwerken auf Ende 2012; vgl. oben Rz 3 und Rz 100 f. sowie RPW 2014/1, 257 Rz 316 ff., Swatch Group Lieferstopp

 

B.3.7 Marktbeherrschende Stellung von ETA 

B.3.7.1 Vorbemerkungen 

393. Gemäss den vorangehenden Erwägungen besteht in Bezug auf eine allfällige Wiedererwägung von Ziff. 3 des Dispositivs des ursprünglichen Entscheids keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG. Der ursprüngliche Entscheid kann damit insoweit nicht geändert oder widerrufen werden. Swatch Group hat ferner den Antrag gestellt, Ziff. 1 des Dispositivs des ursprünglichen Entscheids, wonach ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke marktbeherrschend ist, aufzuheben sowie festzustellen, dass ETA nicht mehr marktbeherrschend sei (vgl. Rz 25, Rz 42). Aus den bereits dargelegten Gründen tritt die WEKO auf diesen Antrag ein (vgl. oben Rz 54 f.).

 

394. Es ist damit zu prüfen, ob bezüglich der Feststellung der marktbeherrschenden Stellung von ETA im damaligen Entscheid, die Voraussetzungen von Art. 30 Abs. 3 KG gegeben sind. Es ist also zu entscheiden, ob sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, welche für die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung entscheidend waren, wesentlich im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG geändert haben. Eine wesentliche Änderung der Rechtslage gemäss Art. 30 Abs. 3 KG ist von vorneherein nicht ersichtlich und wird auch von Swatch Group nicht geltend gemacht.

 

(…) Da die WEKO ohnehin zum Ergebnis kommit, dass ETA auch zum Zeitpunkt des Ablaufs der evR marktbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG war und nach wie vor ist (Rz. 395).

 

(…) Nur wenn in casu eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse vorliegen würde und ETA aktuell nicht mehr marktbeherrschend wäre, könnte – so wie es Swatch Group beantragt – Ziff. 1 des Dispositivs der ursprünglichen Verfügung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 aufgehoben werden (Rz. 399).

 

Relevanter Markt 

401. Wie bereits erläutert, legte die WEKO in ihrem ursprünglichen Entscheid in sachlicher Hinsicht einen Markt für mechanische Swiss made Uhrwerke aller Kaliber und Preisklassen zugrunde (vgl. Rz 81 ff., Rz 152 f.). Dass der relevante Markt auch nach Kalibern und Preisklassen segmentiert werden könnte, schloss die WEKO nicht aus:529 Die WEKO grenzte zwar den sachlich relevanten Markt aufgrund der bestehenden Angebotssubstituierbarkeit als mechanische Swiss made Uhrwerke aller Kaliber (und Preisklassen) ab, liess jedoch explizit offen, ob der Markt je nach Kaliber oder Kaliberfamilie unterteilt werden müsste.530 In Bezug auf Preisunterschiede führte sie aus, es spreche viel dafür, basierend auf dem Preis und dem Industrialisierungsgrad zwei Märkte abzugrenzen: Einen Markt für die Herstellung industrieller Basiskaliber bis ungefähr 500 CHF sowie einen Markt für die Herstellung von «haut-de-gamme»- Kaliber ab ungefähr 700–1'000 CHF.531Eine entsprechende Segmentierung des relevanten Markts nahm die WEKO einzig deshalb nicht vor, weil ETA sowohl im weit definierten Markt als auch in entsprechend segmentierten Märkten über eine marktbeherrschende Stellung verfügte.532 In räumlicher Hinsicht grenzte die WEKO die Schweiz als Markt für die Herstellung mechanischer Uhrwerke ab (vgl. Rz 81 ff.).

 

405. Wie sich aus den Ausführungen in den vorangehenden Abschnitten ergibt (vgl. insbesondere Rz 139– 381), haben sich die für den aktuellen Wettbewerb massgebenden Umstände seit 2010 in einem gewissen Masse geändert. Folgendes sei hier wiederholt und betont, in Bezug auf Details wird auf die Ausführungen oben in Rz 139–381 verwiesen: 

• Im Wesentlichen hat eine Marktanteilsverschiebung von ETA zu Sellita stattgefunden. ETA hat ihren Anteil an der an Dritte gelieferten Menge im Zeitraum 2010 bis 2019 wesentlich gesenkt, auf zuletzt [30– 40] %, während Sellita im Jahr 2019 einen Marktanteil von [50–60] % aufwies (vgl. Rz 163 ff.). 

• Auch die Produktionsanteile der beiden wichtigsten Marktakteure ETA und Sellita haben sich im Zeitraum 2010 bis 2019 verändert, wenn auch nicht im gleichen Masse wie die Marktanteile (vgl. dazu Rz 143 ff.): Während ETA im Jahr 2010 über einen Anteil an der Gesamtproduktion mechanischer, in der Schweiz hergestellter Swiss made Uhrwerke in Höhe von [70–80] % und Sellita einen solchen von rund [5– 10] % verfügte, betrugen die jeweiligen Produktionsanteile im Jahr 2019 [60–70] % (ETA) bzw. [10–20] % (Sellita). Vergleichbares gilt für die Kapazitätsanteile (vgl. Rz 155 ff.). 

• Neben Sellita existieren im Wesentlichen die gleichen Konkurrenten wie zum Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids. Ihre Marktstellung hat sich indes leicht verändert: So konnten die Uhrwerkshersteller Soprod und STP ihre Marktanteile seit 2010 bzw. 2011 leicht erhöhen (Marktanteile Soprod: [0–5] % [2019] bzw. [0–5] % [2010]; Marktanteile STP: [0–5] % [2019], [0– 5] % [2010]; alle anderen damals bereits aktiven Marktteilnehmer verfügten indes auch 2019 noch über Marktanteile von maximal [0–5] % (vgl. Rz 163 ff.). Das gilt insbesondere für Ronda, die ihren Markteintritt 2016 plante. Mit Kenissi (vgl. Rz 148) ist ein neues Unternehmen im Markt aktiv. Im Jahr 2019 hatte Kenissi einen Marktanteil von [0–5] % und einem Anteil an der Gesamtproduktion mechanischer Uhrwerke in der Schweiz in Höhe von rund [0–5] % (Produktionsmenge von Kenissi im Jahr 2019: [...]; vgl. auch Tabelle A.1 im Anhang). 

• Es gibt aktuell für bestimmte Kaliber von ETA – insbesondere für mengen- und umsatzstarke mechanische Uhrwerke – mehr Substitute von anderen Anbietern als noch 2010 (vgl. dazu Rz 212 ff.). 

• Die Kunden von ETA konnten im Zeitraum 2011 bis und mit 2019 ihre Eigenproduktion von mechanischen Uhrwerken ausbauen bzw. etablieren; so erhöhte sich deren Eigenproduktion seit 2011 um 48 % bzw. ca. [...] Stück und steigerte sich deren aggregierter Eigenversorgungsgrad von 12 % auf 22 %, was ihre Abhängigkeit von ETA verringerte (vgl. dazu Rz 343 ff.).

 

406. In Bezug auf den potentiellen Wettbewerb haben sich die massgebenden Umstände hingegen nicht geändert: Dies wäre nur der Fall, wenn auf Ende 2019 gegenüber der Beurteilung im Jahr 2013 neue potentielle Konkurrenz bis zu einem gewissen Grad vorhanden wäre, etwa weil – dies machen die Parteigutachter von Swatch Group geltend – keine relevanten Markteintrittshürden vorlägen. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, ist dies nicht der Fall. 

(…) Die WEKO geht daher davon aus, dass im vorliegenden Markt die im ursprünglichen Entscheid beschriebenen Markteintrittshürden bestehen (Rz 409).

 

(545 So sind die Exporte der Uhrenhersteller im März 2020 gemäss Statistiken des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie FH im Vergleich zum Vorjahr mengenmässig um über 40 % eingebrochen; vgl. https://www.fhs.swiss/scripts/getstat.php?file=a_200303_f.pdf (13.7.2020). Im Vergleich zum ersten Semester des Jahres 2019 reduzierten sich die Exporte der Uhrenhersteller im ersten Semester des Jahres 2020 um 35 %; im unteren Preissegment (Exportpreis zwischen 200 und 500 CHF) betrug der mengenmässige Rückgang sogar 55 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2020; vgl. revue fh vom 20.8.2020, S.4f. Vgl. z.B. auch https://www.nzz.ch/ wirtschaft/corona-hongkong-smartwatches-ingredienzen-einer-uhren krise-ld.1542425 (13.7.2020).)

 

410. Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass allfällige alternative Uhrwerkshersteller auch aktuell – wie auch im Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids – beim wichtigsten Input (Assortiments) auf Belieferungen durch die marktbeherrschende Swatch Group-Tochter Nivarox angewiesen sind; nach wie vor besteht insoweit also eine grosse Abhängigkeit von der Swatch Group (vgl. Rz 356–370). Swatch Group macht diesbezüglich auch keine Änderung der Tatsachen geltend (vgl. Rz 396 ff.).

 

(iii) Nachfragemacht 

411. Auch im Hinblick auf die Nachfragemacht haben sich die massgeblichen Umstände nicht geändert (vgl. zur ursprünglichen Beurteilung oben Rz 99). Es sind keine neuen Umstände ersichtlich, und werden auch von Swatch Group nicht vorgebracht (vgl. Rz 396), wonach die Nachfrager ihre Verhandlungsmacht gegenüber 2011 gesteigert hätten: Auch heute noch vermag ETA sich ihre Kunden selbst auszusuchen bzw. die Belieferung einzustellen. Zudem verfügt ETA bei der Produktion von mechanischen, in der Schweiz hergestellten Swiss made Uhrwerken über einen Produktionsanteil von [60–70] % (vgl. Rz 143 ff.). Auch können die Abnehmer nur im oben skizzierten Ausmass auf alternative Abnehmer ausweichen, etwa weil es für gewisse Kaliber kaum Substitute gibt (vgl. dazu Rz 212 ff.). Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Nachfrager Ende 2019 über eine erhöhte disziplinierende Nachfragemacht verfügten

 

B.3.7.3.2 Keine «wesentliche» Änderung 

413. Wie erläutert, führt nicht jede Änderung des Sachverhalts dazu, dass eine rechtskräftige Verfügung widerrufen oder geändert werden kann. Dies ist nur möglich, wenn die Änderung wesentlich im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG ist. Wesentlich ist eine Änderung des Sachverhalts nur dann, wenn sie Einfluss auf das Ergebnis der bisherigen rechtlichen und ökonomischen Würdigung des Kartellrechtsverstosses haben kann. Mit Blick auf den Aufhebungsantrag von Swatch Group ist damit nachfolgend darauf einzugehen, ob die vorgenannten Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse zur Beendigung der marktbeherrschenden Stellung von ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke führen könnten, mithin anzunehmen ist, dass sich ETA aktuell nicht mehr in wesentlichem Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern (Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern) verhalten kann (Art. 4 Abs. 2 KG). Für diese Prüfung ist praxisgemäss die Marktstellung von ETA mit Blick auf den aktuellen und potentiellen Wettbewerb sowie die disziplinierende Wirkung der Nachfrage zu analysieren. Diese Prüfung ist eine umfassende Einzelfallprüfung anhand einer Vielzahl von Kriterien (vgl. dazu auch unten Rz 415).

 

Aktueller Wettbewerb 

414. Für die Beurteilung der aktuellen Marktstellung von ETA ist zunächst ihre Stellung bei der Belieferung von Drittkunden in den Blick zu nehmen: Wie erwähnt und von Swatch Group betont, hat eine Marktanteilsverschiebung von ETA zu Sellita stattgefunden. ETA hat ihren Marktanteil im Zeitraum 2010 bis 2019 wesentlich gesenkt, auf zuletzt [30–40] %, während Sellita im Jahr 2019 einen Marktanteil von [50–60] % aufwies. Isoliert betrachtet, indiziert ein Marktanteil von rund [30–40] % eher das Nichtbestehen einer marktbeherrschenden Stellung, wobei die WEKO auch schon bei einem Marktanteil in Höhe von 20–30 % eine marktbeherrschende Stellung bejaht hat und vorliegend zudem zu berücksichtigen ist, dass neben Sellita keine alternativen Uhrwerkshersteller über Marktanteile von über [0–5] % verfügen (vgl. oben Rz 404). Die Indizienwirkung, wonach der Marktanteil von weniger als einem Drittel für das Nichtbestehen der marktbeherrschenden Stellung sprechen könnte, findet im Übrigen auch ihren Ausdruck in der von Swatch Group vorgebrachten Ziff. 7 evR (vgl. oben Rz 5, 398). Entgegen dem Vorbringen von Swatch Group begründet Ziff. 7 evR aber keine rechtliche Fiktion des Wegfalls der marktbeherrschenden Stellung von ETA.Vielmehr folgte für Swatch Group aus Ziff. 7 evR einzig die Gewissheit, dass die WEKO auf einen allfälligen Antrag betreffend die Änderung der Lieferverpflichtung gemäss evR (vgl. dazu oben Rz 6) – nicht aber bezüglich Ziff. 1 des Dispositivs des ursprünglichen Entscheids – eintreten würde, insbesondere sofern der Marktanteil vor Ende 2019 auf unter 35 % gefallen wäre. Wie die WEKO über einen entsprechenden Antrag in der Sache zu entscheiden gehabt hätte, war durch die evR also nicht festgelegt.

 

559 Die WEKO hat im ursprünglichen Entscheid eine Befristung der Feststellung der marktbeherrschenden Stellung ausdrücklich abgelehnt, vgl. RPW 2014/1, 283 f. Rz 490, Swatch Group Lieferstopp. Damit hat die WEKO zum Ausdruck gebracht, dass die Einhaltung und der Ablauf der evR nicht zwingend zum Ende der marktbeherrschenden Stellung von ETA führen. 

 

415. Der Marktanteil ist für die Prüfung von Art. 4 Abs. 2 KG bzw. die Beurteilung des aktuellen Wettbewerbs jedoch nur eines von mehreren entscheidmassgebenden Kriterien: Wie Swatch Group in ihrer Stellungnahme zum Antrag des Sekretariats eigentlich selbst wiederholt betont, kommt es für die Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG auf eine umfassende Prüfung der Markstellung an. Bei dieser umfassenden Prüfung mag ein hoher Marktanteil für sich betrachtet immerhin ein starkes Indiz für eine marktbeherrschende Stellung sein – ein niedriger hingegen ein Indiz gegen das Vorliegen einer solchen Stellung. Zu beachten sind daneben aber sämtliche Aspekte des Einzelfalls, welche für die Kräfteverhältnisse im relevanten Markt von Bedeutung sind. Als solche entscheidmassgebenden Aspekte sind neben den Marktanteilen und damit zusammenhängenden Umständen (z.B. KapazitätenMarktanteilsverteilung), dem potenziellen Wettbewerb (vgl. dazu oben Rz 406 ff. und unten Rz 426) und der Nachfragemacht (vgl. dazu oben Rz 411 und unten Rz 427) etwa folgende Kriterien zu nennen: Die Struktur der im Markt tätigen Unternehmen (z.B. vertikale Integration), deren Fähigkeiten (z.B. Finanzkraft, Kostenstruktur, Know-how, Innovationsfähigkeit) und deren Ansehen bei den Kunden sowie das Ausmass des Substitutionswettbewerbs. Da es für die Prüfung, ob sich ein Unternehmen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann, auf eine Vielzahl von Aspekten ankommt, hat die WEKO in der Vergangenheit auch schon bei hohen Marktanteilen die marktbeherrschende Stellung verneint und bei tiefen Marktanteilen eine marktbeherrschende Stellung bejaht.

 

418. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass die erwähnte relativ hohe Marktanteilsverschiebung zugunsten von Sellita im Jahr 2019 bzw. die starke Abnahme des Marktanteils von ETA auf [30– 40] % im Jahr 2019 nicht in erster Linie das Ergebnis eines (gesteigerten) Wettbewerbs ist, sondern im Wesentlichen aus einer einseitige Verhaltensänderung von Swatch Group bzw. ETA resultiert. So hat sich Swatch Group mit der evR freiwillig dazu verpflichtet, ihre Lieferungen zu reduzieren bzw. sich dazu entschieden, von bestimmten aus der evR folgenden Rechten zur Belieferung keinen Gebrauch zu machen (Rz 175 ff. sowie Rz319 ff.). Mit anderen Worten ist die relativ hohe Marktanteilsverschiebung zugunsten von Sellita im Jahr 2019 sowie die Abnahme der Marktanteile in den Jahren zuvor nicht allein Ausdruck der Stärke der Konkurrentin Sellita, sondern auch das Resultat einer autonomen Entscheidung von Swatch Group bzw. ETA, die bestehende Nachfrage nach ihren mechanischen Uhrwerken nicht mehr zu bedienen und sich entsprechend zurückzuziehen. Wenn sich ein Unternehmen freiwillig dazu entscheidet (zumal in einem Bereich mit Skaleneffekten), auf die Bedienung der Nachfrage zu verzichten, so indiziert dies stark, dass sich dieses Unternehmen im relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann.

 

(…) Im Zusammenhang mit den genannten Produktions- und Kapazitätsanteilen ist vorliegend bedeutsam, dass bei der Produktion von mechanischen Uhrwerken Skaleneffekte bestehen (vgl. auch oben Rz 96) – dies wurde von den Verfahrensparteien sowie Dritten auch übereinstimmend ausgeführt. ETA verfügt damit infolge der Grösse ihrer Eigenproduktion über singuläre Grössen- und Kosten- sowie Kapazitätsvorteile gegenüber ihren Konkurrentinnen (vgl. auch Rz 409). Die Grössen- und Kostenvorteile zeigen sich etwa darin, dass ETA-Uhrwerke als qualitativ hochwertiger, zugleich aber auch günstiger als allfällige technisch vergleichbare Uhrwerke anderer Hersteller gelten (vgl. etwa Rz 220 ff.). Diese Grössen- und Kostenvorteile sowie die Kapazitäten, ermöglichen ETA, insbesondere bei sinkender Gesamtnachfrage, Drittkunden nach ihrem Belieben mit mechanischen Swiss made Uhrwerken zu beliefern und geben ihr einen erheblichen Spielraum bei der Preissetzung. An diesen Umständen ändern auch die allfälligen, von Swatch Group betonten Produktions- und Kapazitätssteigerungen der alternativen Uhrwerkshersteller nichts. Die Verteilung der Produktions- und die Kapazitätsanteile im relevanten Markt sowie der Umstand, dass bei der Produktion von mechanischen Uhrwerken Skaleneffekte bestehen, indizieren daher stark, dass sich ETA im relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann (Rz. 419).

 

420. Neben den Marktanteilen, den Produktions- und Kapazitätsanteilen sowie den aus den Skaleneffekten resultierenden Folgen ist des Weiteren das Ausmass des Substitutionswettbewerbs zu analysieren (vgl. dazu oben auch Rz 212 ff.). Es gibt aktuell für bestimmte Kaliber von ETA – insbesondere für mengen- und umsatz- starke mechanische Uhrwerke – mehr Substitute von anderen Anbietern als noch 2010 (vgl. dazu Rz 212 ff.). Damit hat sich insoweit das Ausmass des Substitutionswettbewerbs erhöht. Indes ist zu beachten, dass sich die Produktpalette der Konkurrenten von ETA nicht wesentlich geändert hat: Bis 2019 verfügte ETA über die umfassendste Produktpalette im Bereich mechanischer, in der Schweiz hergestellter Swiss made Uhrwerke. Damit kann ETA die Interessen der Uhrenhersteller nach wie vor am besten befriedigen. Dies zeigt sich auch darin, dass die meisten Kunden weiterhin bei ETA beziehen möchten (vgl. Rz 315 ff.). Kommt hinzu, dass es für bestimmte Kaliber von ETA nach wie vor keine oder kaum technisch vergleichbare Kaliber gibt, so dass Uhrenhersteller in diesem Bereich ihre Uhren anders konstruieren müssen, wenn sie ein Kaliber von alternativen Herstellern verwenden wollen (vgl. dazu Rz 212 ff.). Insoweit ist der Substitutionswettbewerb nach wie vor verringert, was ebenfalls indiziert, dass sich ETA im relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann. In diesem Zusammenhang ist erneut klarzustellen, dass der Einwand von Swatch Group, es dürften aufgrund der Marktabgrenzung keine kaliber- bzw. kaliberfamilienbezogenen Überlegungen angestellt werden, nicht überzeugt. Denn auch innerhalb eines Marktes dürfen die bestehenden Wettbewerbskräfte analysiert werden (vgl. dazu auch Rz 212 ff. sowie Rz 415). 

 

421. Die Abhängigkeit der Uhrenhersteller von ETA wird auch nur teilweise durch den Ausbau der Eigenproduktion verringert. Zwar konnten die Kunden von ETA im Zeitraum 2011 bis und mit 2019 ihre Eigenproduktion von mechanischen Uhrwerken ausbauen bzw. etablieren: Deren Eigenproduktion erhöhte sich seit 2011 um 48 % bzw. ca. [...] Stück, womit sich deren aggregierter Eigenversorgungsgrad von 12 % auf 22 % steigerte (vgl. dazu Rz 343 ff.). Zu beachten ist jedoch, dass die Uhrenhersteller im Basissegment nach wie vor auf industriell hergestellte Uhrwerke angewiesen sind, da es den Uhrenherstellern wegen fehlender Skaleneffekte nicht ohne Weiteres möglich ist, mit ETA- oder Sellita- Basiskalibern vergleichbare Basiskaliber zu einem hinreichend tiefen Preis zu produzieren. Dies gilt selbst für Konzerne wie [...] oder grössere Uhrenhersteller wie Breitling, die explizit festhalten, dass ihre Eigenproduktion den Bedarf an mechanischen Uhrwerken nicht abdecke (vgl. Rz 329 ff.). In diesem Zusammenhang ist erneut klarzustellen, dass der Einwand von Swatch Group, es dürften aufgrund der Marktabgrenzung keine preis- klassenbezogenen Überlegungen angestellt werden, nicht überzeugt (vgl. dazu Rz 416). Auch diese Abhängigkeit indiziert, dass sich ETA im relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann.

 

572 Insoweit stösst der Einwand von Swatch Group, aus der Einhaltung der evR dürften für die Swatch Group keine negativen Folgen resultieren (vgl. Act. [...], Rz 84 ff.), ins Leere. Denn der Umstand, dass ETA infolge der evR ihre Liefermengen reduziert hat und sich zudem dazu entschieden hat, von bestimmten aus der evR folgenden Rechten zur Belieferung keinen Gebrauch zu machen, ändert nichts an der Tatsache, dass der Marktanteilsgewinn von alternativen Werksherstellern im Jahr 2019 nicht nur auf die Stärke dieser Hersteller zurückgeht, sondern vor allem in der freiwilligen Reduktion der Lieferungen von Seiten ETA begründet liegt.

 

575 Hinzu kommt, dass der Maschinenpark von ETA aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit längst amortisiert ist; RPW 2014/1, 237 Rz 184, 186 ff., Swatch Group Lieferstopp.

 

422. Neben den vorgenannten Aspekten kann für die Beurteilung der aktuellen Marktstellung ausserdem die Struktur der im Markt tätigen Unternehmen (z.B. vertikale Integration), deren Fähigkeiten (z.B. Finanzkraft, Kostenstruktur, Know-how, Innovationsfähigkeit) und deren Ansehen bei den Kunden in den Blick genommen werden (vgl. Rz 415). In Bezug auf Swatch Group bzw. ETA wurden diese Aspekte in den vorangehenden Randziffern bereits teilweise behandelt. Zu nennen sind hier insbesondere die vertikale Integration von Swatch Group bzw. ETA sowie die singulären Grössen- und Kostenvorteile im Bereich der Produktion von mechanischen, in der Schweiz hergestellten Swiss made Uhrwerken. Dem ist hinzuzufügen, dass Swatch Group bzw. ETA, auch infolge ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer vertikalen Integration und ihrer Finanzkraft, über umfassendes Wissen und grösste Fähigkeiten im Bereich der industriellen Produktion von mechanischen Uhrwerken verfügt. ETA ist dementsprechend ein sehr innovatives Unternehmen, dessen mechanische Uhrwerke im Hinblick auf den Preis und die Qualität den Industriestandard definieren. Dementsprechend hoch ist auch das Ansehen von mechanischen Uhrwerken von ETA. Dies zeigt sich auch darin, dass die meisten Kunden weiterhin bei ETA beziehen möchten (vgl. Rz 315 ff.). In dieser Kumulation trifft dies auf keine Konkurrentin von ETA zu. Insbesondere ist kein alternativer Uhrwerkshersteller (gleichermassen) vertikal integriert oder verfügt über vergleichbare Grössen- und Kostenvorteile. Auch das Wissen und die Fähigkeiten von ETA betreffend die industrielle Produktion von Basiskalibern sind bei anderen Unternehmen nicht gleichermassen vorhanden. Dies zeigt sich wiederum etwa darin, dass ETA-Uhrwerke als qualitativ hochwertiger, zugleich aber auch günstiger als allfällige technisch vergleichbare Uhrwerke anderer Hersteller gelten (vgl. etwa Rz 220 ff.). Der von Swatch Group betonte Umstand, dass es neu sieben alternative Uhrwerkshersteller gebe,579 ist vor diesem Hintergrund nicht von Bedeutung. Die Struktur der im Markt tätigen Unternehmen, deren Fähigkeiten und ihr Ansehen bei den Kunden indizieren daher ebenfalls, dass sich ETA im relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann.

 

579 Act. [...], Rz 35, Beilage 1, S. 21 und S. 23, Tabelle 2. Im Sinne einer Richtigstellung ist darauf hinzuweisen, dass – entgegen der Behauptung von Swatch Group – im Jahr 2019 nicht neu sieben Wettbewerber von ETA im Markt aktiv sind. Betrachtet man die Entwicklung der Marktanteile seit 2011 in Tabelle 3 so ist ersichtlich, dass von den sieben namentlich genannten Unternehmen sechs bereits mindestens seit 2011 mechanische Uhrwerke an Dritte verkaufen. Einzig Kenissi ist [...] neu in den Markt eingetreten (vgl. Rz 181).

 

 

423. Zuletzt ist auf die Abhängigkeit von alternativen Uhrwerksherstellern von Nivarox-Assortiments einzugehen. Alternative Uhrwerkshersteller waren im Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids beim wichtigsten Input (Assortiments) auf Belieferungen durch die marktbeherrschende Swatch Group-Tochter Nivarox angewiesen. An dieser Abhängigkeit hat sich aus Sicht der WEKO nichts geändert (vgl. Rz 356–370); Swatch Group macht diesbezüglich auch keine Änderung der Tatsachen geltend (vgl. Rz 396 ff.). Swatch Group kann damit den Output von alternativen Uhrwerksherstellern nach wie vor indirekt kontrollieren bzw. plafonieren. Dies indiziert ebenfalls, dass sich ETA, die als Unternehmen der Swatch Group nicht einem solchen Verhalten ausgesetzt sein wird, im relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann.

 

425. Die vorgenannten Aspekte zeigen, dass der aktuelle Wettbewerb ETA auf dem relevanten Markt nicht zu disziplinieren vermag. In der Gesamtschau folgt damit aus ihnen, dass sich ETA auf dem relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten kann.

 

Potentieller Wettbewerb 

426. Wie dargelegt, liegen im Vergleich zum ursprünglichen Entscheid keine neuen Tatsachen vor, aus welchen sich auf eine Verstärkung des potentiellen Wettbewerbs im relevanten Markt schliessen liesse (vgl. oben Rz 406 ff.). Dies gilt insbesondere mit Blick auf die bestehenden Markteintrittshürden und die aktuelle Gesamtmarktsituation, weshalb Aus- und Aufbaupläne unabhängig vom Verhalten von ETA wenig erfolgsversprechend sind. Damit vermag auch kein potentieller Wettbewerb ETA zu disziplinieren.

 

Nachfragemacht 

427. Wie dargelegt, haben sich auch im Hinblick auf die Nachfragemacht die massgeblichen Umstände nicht geändert (vgl. oben Rz 411). Die Nachfrager können damit nur im beschriebenen Ausmass auf alternative Abnehmer ausweichen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Möglichkeit ETA zu disziplinieren vermag.

 

Zwischenfazit 

428. Die in Rz 404 f. und Rz 412 genannten Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse führen nicht dazu, dass die aktuelle oder potentielle Konkurrenz bzw. die Nachfrager ETA nunmehr auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke disziplinieren könnten. ETA kann sich mithin auch aktuell im relevanten Markt im wesentlichen Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern verhalten. Es fehlt damit an der «Wesentlichkeit» der eingetretenen Änderungen im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG, da ETA auf dem relevanten Markt nach wie vor marktbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG ist.

 

Darüber hinaus hatte die evR einzig zum Ziel, zu verhindern, dass Swatch Group durch die angedrohte Einstellung der Belieferung von Dritten mit mechanischen Uhrwerken einen Missbrauch im Sinne von Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 KG begeht, hingegen nicht, die marktbeherrschende Stellung von ETA zu beseitigen. Dies zeigt sich schon darin, dass lediglich die Lieferverpflichtung und die Lieferbeschränkung gemäss evR bis zum 31. Dezember 2019 befristet waren, nicht aber das Feststellungsdispositiv gemäss Ziff. 1 des Dispositivs des ursprünglichen Entscheids (Rz. 432).

 

585 Die WEKO hat im ursprünglichen Entscheid eine Befristung der Feststellung der marktbeherrschenden Stellung ausdrücklich abgelehnt, da sich aus der Einhaltung und dem Ablauf der evR nicht zwingend das Ende der marktbeherrschenden Stellung ergibt; vgl. RPW 2014/1, 283 f. Rz 490 f., Swatch Group Lieferstopp.

 

B.3.8 Ergebnis 

437. Gestützt auf die Ergebnisse der Marktbefragung und unter Berücksichtigung sämtlicher für die Beurteilung des vorliegenden Falls relevanten Aspekte kommt die WEKO zum Schluss, dass die im Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke in die erwartete Richtung eingetretenen Veränderungen ausreichend sind, damit die sich zum Zeitpunkt des ursprünglichen Entscheids von der WEKO vorausgesetzten Marktentwicklungen als eingetreten zu betrachten sind. Während die evR in einer Phase mit hoher Nachfrage nach mechanischen Uhrwerken ausgearbeitet und genehmigt wurde, besteht die Knappheit an mechanischen Uhrwerken per Ende 2019 aufgrund der gesunkenen Nachfrage nicht mehr. Es ist in der Gesamtbetrachtung deshalb davon auszugehen, dass ein Stopp der Lieferung mechanischer Uhrwerke nicht mehr dieselbe wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung hätte wie zum Zeitpunkt des Abschlusses der evR. Es war auch aus heutiger Sicht und in Kenntnis der heutigen Marktsituation angezeigt, die evR und damit die Lieferverpflichtung und die Lieferbeschränkung von ETA bis zum 31. Dezember 2019 zu befristen. Damit liegt gegenüber dem ursprünglichen Entscheid keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG vor (vgl. Rz 382 ff.). Die Lieferverpflichtung sowie die Lieferbeschränkung von ETA gemäss evR dürfen aus kartellrechtlicher Sicht mithin auslaufen und Swatch Group bzw. ETA darf ihren ursprünglichen Plan, die Belieferung von Drittkunden einzustellen, nunmehr umsetzen.

(Trotz der Aufhebung der Lieferpflicht gemäss evR kann im Einzelfall ein Missbrauch im Verhältnis zu einem abhängigen Uhrenhersteller vorliegen. Ein solcher wäre auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. 591).

 

438. Die eingetretenen Veränderungen der Marktverhältnisse gehen indes nicht so weit, als dass ETA als nicht mehr marktbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG angesehen werden könnte. Eine solche Entwicklung war durch die evR bzw. den ursprünglichen Entscheid im Übrigen auch nicht intendiert. Auch insoweit liegt mithin keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne von Art. 30 Abs. 3 KG vor. Der Antrag von Swatch Group, die mit dem ursprünglichen Entscheid verfügte Feststellung der marktbeherrschenden Stellung von ETA auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss made Uhrwerke aufzuheben und festzustellen, dass ETA ab 1. Januar 2020 nicht mehr marktbeherrschend sei, ist daher abzuweisen (vgl. zum Ganzen Rz 393 ff.).

 

439. Aus dem Fortbestehen der marktbeherrschenden Stellung von ETA ergeben sich keine unmittelbaren kartellrechtlichen Rechtsfolgen, da eine marktbeherrschende Stellung gemäss Art. 4 Abs. 2 KG kartellrechtlich nicht unzulässig ist. Unzulässig ist einzig der Missbrauch einer solchen Stellung gemäss Art. 7 KG. Das künftige Verhalten von ETA im Bereich mechanischer, in der Schweiz hergestellter Swiss made Uhrwerke wird damit auch künftig am Massstab von Art. 7 KG zu messen sein, zumindest soweit die marktbeherrschende Stellung von ETA dann noch besteht und das fragliche Verhalten von ETA nicht Gegenstand des ursprünglichen Entscheids war. Unzulässig wären beispielsweise eine missbräuchliche Koppelung des Bezugs von mechanischen Uhrwerken bei ETA an den Bezug anderer Produkte von Swatch Group (z.B. Quarzwerke von ETA oder Assortiments von Nivarox) oder eine missbräuchliche Verdrängungsstrategie gegen Konkurrenten. Die Überprüfung des künftigen Verhaltens von ETA kann im Rahmen von wettbewerbsbehördlichen sowie kartellzivilrechtlichen Verfahren erfolgen.

 

440. Aus den vorangehenden Erwägungen ergibt sich, dass die ursprüngliche Verfügung nicht in Wiedererwägung zu ziehen ist. Damit sind in Bezug auf den vorliegenden Verfahrensgegenstand keine neuen Massnahmen gegen die Swatch Group bzw. ETA zu ergreifen. Da keine Massnahmen zu ergreifen sind, ist sicherzustellen, dass die vorsorglichen Massnahmen der WEKO vom 16. Dezember 2019, mit denen Swatch Group bzw. ETA in der Belieferung von Drittkunden übergangsweise beschränkt wird(vgl. oben Rz 32 ff.), ab sofort und mit Wirkung ex-nunc nicht mehr gelten.

 

441. Gemäss Ziff. 4 des Dispositivs der Verfügung vom 16. Dezember 2019 gelten die vorsorglichen Massnahmen längstens für die Dauer des vorliegenden Verfahrens, d.h. bis zum Erlass des Hauptsacheentscheids der WEKO, höchstens aber bis zum 31. Dezember 2020. Durch den Erlass der vorliegenden Hauptsacheentscheidung fallen die vorsorglichen Massnahmen folglich mit Wirkung ex-nunc dahin. Dies ist im Dispositiv der Verfügung festzuhalten (vgl. unten C, Ziff. 6.).

 

 

C Dispositiv 

Aufgrund des Sachverhalts und der vorangehenden Erwägungen verfügt die Wettbewerbskommission: 

1. Die Untersuchung «32-0224: Swatch Group Lieferstopp / Ablauf Lieferverpflichtung» wegen allfälliger Wiedererwägung der Verfügung der Wettbewerbskommission vom 21. Oktober 2013 in Sachen Untersuchung «32-0224: Swatch Group Lieferstopp» wird eingestellt. Die Verfügung der Wettbewerbskommission vom 21. Oktober 2013 in Sachen Untersuchung «32-0224: Swatch Group Lieferstopp» wird nicht widerrufen oder geändert. 

1.   Der Antrag der The Swatch Group AG auf Aufhebung der Ziffer 1 des Dispositivs der Verfügung der Wettbewerbskommission vom 21. Oktober 2013 betreffend die Untersuchung «32-0224: Swatch Group Lieferstopp» wird abgewiesen. 

2.   Die Anträge der Sellita Watch Co S.A. betreffend Lieferung von mechanischen Uhrwerken (Anträge 1.2 und 2.2 sowie Anträge 1.3, 1.4, 1.5, 1.6, 2.3, 2.4, 2.5 und 2.6, soweit sie ETA SA Manufacture Horlogère Suisse betreffen, gemäss Schreiben der Sellita Watch Co S.A. vom 22. März 2019 und vom 19. Juni 2019; Anträge 1.2 und 1.2.1 sowie Anträge 1.3, 1.4, 1.5, 1.6, soweit sie ETA SA Manufacture Horlogère Suisse betreffen, gemäss Stellungnahme der Sellita Watch Co S.A. vom 11. Juni 2020) werden abgewiesen. 

3.   Auf die Anträge der Sellita Watch Co S.A. betreffend Belieferung mit Assortiments (Anträge 1.1 und 2.1, Anträge 1.3, 1.4, 1.5, 1.6, 2.3, 2.4, 2.5 und 2.6, soweit sie Nivarox-FAR S.A. betreffen, gemäss Schreiben der Sellita Watch Co S.A. vom 22. März 2019 und vom 19. Juni 2019; Antrag 1.1 und Anträge 1.3, 1.4, 1.5, 1.6, soweit sie Nivarox-FAR S.A. betreffen, gemäss Stellungnahme der Sellita Watch Co S.A. vom 11. Juni 2020) sowie Belieferung im Bereich Nachverkaufsservice/Service Après-Vente (Anträge 1.5a und 2.5a gemäss Schreiben der Sellita Watch Co S.A. vom 16. Juli 2019) wird nicht eingetreten. 

5. Die Verfahrenskosten gehen zu Lasten der Bundeskasse. 

6. Die Verfügung der WEKO vom 16. Dezember 2019 in Sachen Untersuchung «32-0224: Swatch Group Lieferstopp / Ablauf Lieferverpflichtung – vorsorgliche Massnahmen» gilt mit sofortiger Wirkung nicht mehr. 

7. Einer allfälligen Beschwerde gegen Ziffer 6 dieses Dispositivs wird die aufschiebende Wirkung entzogen. 

[Rechtsmittelbelehrung] 

Beilage: Anhang zur Verfügung vom 13. Juli 2020 i.S. «32-0224: Swatch Group Lieferstopp / Ablauf Lieferverpflichtung»