Wednesday, June 26, 2019

Publikation der Sanktionsverfügung der CH-Wettbewerbskommission

Publikation der Sanktionsverfügung der CH-Wettbewerbskommission
Ziele der Veröffentlichung
Publikation vor der Rechtskraft der Sanktionsverfügung
Nikon-Urteil
Reputationsschaden
Veröffentlichung des Namens der Parteien
Schwärtzungsanträge: Pflicht, alle Anträge sofort zu stellen


3.2. Das Bundesgericht hat im Nikon-Urteil die die Ziele der durch die Veröffentlichung von Verfügungen der WEKO wie folgt zusammengefasst (BGE 142 II 268 E. 4.2.5 S. 273 f.) :

3.2.1. Erstens haben Entscheide im Rahmen des Kartellgesetzes einen Einfluss auf das Wirtschaften der Unternehmer; es ist deshalb naheliegend, dass die Verfügungen der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden, damit diese ihr Verhalten an der Praxis der Wettbewerbsbehörden ausrichten können. Dies ist zum einen wegen der geringen Anzahl von höchstrichterlichen Entscheiden und angesichts der - aufgrund von zu beantwortenden komplexen Fragen - langen Verfahrensdauer und zum anderen wegen der Tatsache, dass nicht jede ursprünglich strittige Frage bis vor das Bundesgericht getragen wird, besonders angezeigt. Insofern dient die Veröffentlichung zunächst der Prävention und der Rechtssicherheit.

Das öffentliche Interesse wird auch nicht dadurch hinfällig, dass die Publikation vor der Rechtskraft der Sanktionsverfügung bzw. der Rechtskraft der Publikationsverfügung erfolgt. Wie das Bundesgericht im Nikon-Urteil feststellt (BGE 142 II 268 E.4.2.5.4 S. 274), hält der Gesetzgeber eine Publikation von (nicht rechtskräftigen) Entscheiden der WEKO als notwendig, um volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und somit wirksamen Wettbewerb verwirklichen zu können und nimmt dabei in Kauf, dass publizierte Verfügungen der WEKO in einem späteren Verfahrensstadium auch aufgehoben oder korrigiert werden können.

4.2.4 (…) Schliesslich sei die Veröffentlichung zumutbar, da das öffentliche Interesse das private Interesse der Beschwerdeführerin an der Vermeidung eines allfälligen Reputationsschaden überwiege. Dem Privatinteresse werde ausreichend Rechnung getragen dadurch, dass für jedermann ersichtlich ist, dass die Sanktionsverfügung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist.

4.2.5 (…) Wenn auch eine gekürzte Fassung der Verfügung zur Erreichung der Zielsetzungen ausgereicht hätte, so kann der WEKO mangels eines solchen Antrags nicht vorgeworfen werden, dies nicht von Amtes wegen getan zu haben. Was die Veröffentlichung des Namens der Parteien anbelangt, ist Art. 28 KG zu berücksichtigen. Danach wird die Eröffnung der Untersuchung u.a. mit den Namen der Adressaten der Untersuchung publiziert. Diese Vorgabe hat verbindlichen Charakter (Art. 190 BV). Der Name ist insofern dem Publikum bekannt. Die Sanktionsverfügung liesse sich zudem wohl kaum mehr so anonymisieren, dass keine Rückschlüsse auf die Namen möglich ist. Des Weiteren gilt zu beachten, dass auch im Strafgerichtsverfahren Urteile grundsätzlich samt Namen verkündet werden; für eine Anonymisierung müssen besondere Voraussetzungen gegeben sein (vgl. Art. 149 Abs. 2 und 150 StPO).

4.2.6. Der Name ist also bereits früher - und zwar zu Recht - bekannt. Die gesetzlich vorgesehene Namensnennung ist dabei Folge einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Abwägung zwischen dem Interesse der Beschwerdeführerin und anderer Wirtschaftsteilnehmer (vgl. BGE 142 II 268 nicht publizierte E. 8.4.1). Auch die Rüge der Unzumutbarkeit der Veröffentlichung der Publikationsverfügung vor Eintritt der Rechtskraft der Sanktionsverfügung geht fehl. Diese Rechtsfolge wurde vom Gesetzgeber ausdrücklich in Kauf genommen (vgl. BGE 142 II 268 nicht publizierte E. 8.4.1).

5.2. (…) Das Bundesgericht hat im Nikon-Urteil festgehalten, dass die Publikation der Sanktionsverfügung vor Rechtskraft die Unschuldsvermutung nicht verletze, da Art. 6 Abs. 2 EMRK den staatlichen Behörden nicht verbiete, die Öffentlichkeit über laufende strafrechtliche Untersuchungen und Verfahren zu informieren. (BGE 142 II 268, nicht publizierte E. 8.3 und 8.4.1). Diese Rechtsprechung ist auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen (…).

6.2. (…) Soweit sie die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten rügt, kann darauf mangels ausreichender Substantiierung nicht eingegangen werden. Das Argument, sie habe ihre Rechtslage nicht durch die Stellung von Schwärzungsanträgen schwächen wollen, ist nicht nachvollziehbar. Es wäre vielmehr ihre prozessökonomische Pflicht gewesen, alle Anträge sofort zu stellen. Indem sie auch auf die zweite Aufforderung der WEKO, Schwärzungsanträge zu stellen, nicht eingegangen ist, durfte die Vorinstanz annehmen, sie habe auf weitere rechtserhebliche Vorbringen verzichten wollen.


Urteil 2C_994/2017 des Bundesgerichts, II. öffentlichrechtliche Abteilung, vom 26. Juni 2019 in Sachen Bringen AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch [...] gegen Wettbewerbskommission – Gegenstand: Publikation der Sanktionsverfügung vom 29. Juni 2015, Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II, vom 24. Oktober 2017 (B-149/2017), in RPW 2019/4, 1346-1350

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